Im Sommer 2014 wurde in fast allen evangelischen Kirchen auf dem Stadtgebiet Nürtingen über die Liebe gepredigt - genauer: über Liebesgeschichten aus der Bibel.
Hier sind nun beinahe alle diese Predigten gesammelt zum Nachlesen. Außerdem gibts dazwischen immer wieder Bilder, Videos und Musik zum Thema.
Am Ende dieser Seite einfach auf "ältere Beiträge" klicken - dort gehts weiter.
Und nun viel Vergnügen beim Lesen, Schauen und Hören!
Achja: Wenn Sie mehr von uns Prediger_innen hören wollen: über diesen Link finden Sie uns:
http://www.ev-kirchenbezirk-nuertingen.de/kirchengemeinden/
Mittwoch, 24. September 2014
Freitag, 19. September 2014
Donnerstag, 18. September 2014
Hans-Joachim Baumann: Gott zwischen dir und mir. David und Jonathan (1. Samuel 18ff) (Anmerkung: Der kleine Schnörkel ist die Abkürzung des griechischen Wortes THEOS, das GOTT bedeutet)
Die andere Predigt zu David und Jonathan ist hier: http://nuertinger-sommerpredigtreihe.blogspot.de/2014/08/susanna-worbes-mehr-als-eine.html
Dienstag, 16. September 2014
Montag, 15. September 2014
Karl-Heinz Graf: Verbotene Liebe? Jesus und Maria Magdalena
Liebe Gemeinde,
heute soll es n der Sommerpredigtreihe
„Liebesgeschichten“ um eine Beziehung gehen, die wie keine andere im Neuen Testament
seit jeher zu geheimnisvollen Spekulationen und raunenden Vermutungen Anlass
gegeben hat: Es geht um die Beziehung zwischen Maria Magdalena und
Jesus.
Wer war diese Frau, die in den Evangelien im Neuen Testament
mehrmals erwähnt wird und ganz offensichtlich zum engeren Umfeld um Jesus
gehört hat?
War Maria vielleicht nicht nur eine von vielen
Jüngerinnen, sondern Jesu besondere Vertraute, vielleicht sogar die Geliebte
Jesu? Hatte Jesus ein Verhältnis mit einer ehemaligen Prostituierten?
War Maria Magdalena womöglich eine von den männlichen Aposteln später
verdrängte Apostelin, die Jesus als Leiterin der Jüngerschaft eingesetzt
hatte?
Oder war sie gar die Frau von Jesus und die Mutter von
gemeinsamen Kindern mit Jesus? Der Film „Sakrileg“, der gerade in den Kinos
läuft nach dem Buch „Der Da Vinci-Code“ treibt die Vermutungen sogar so weit
auf die Spitze, dass darin nahe gelegt wird, über die ganze
Kirchengeschichte hinweg seien die leiblichen Nachfahren Jesu von der Kirche
totgeschwiegen und verfolgt worden, um auf keinen Fall die Göttlichkeit Jesu zu
gefährden.
Viele solcher sensationellen und abenteuerlichen Vermutungen
haben zurzeit Konjunktur im Kielwasser dieses Bestsellers von Dan Brown. Ich
habe allein 18 neue deutschsprachige Romane und Populärsachbücher gezählt, die
zwischen 2004 und 2006 zum Thema Jesus und Maria Magdalena erschienen sind.
Warum bietet gerade die Beziehung zwischen Jesus und
Maria Magdalena so viel Anlass für geheimnisumwitterte Verschwörungstheorien?
Ich möchte versuchen, mich mit ihnen auf eine Spurensuche
zu begeben, die uns helfen soll, das Wichtige vom Unwichtigen und das
Wahrscheinliche vom Unwahrscheinlichen zu trennen.
Eine erste wichtige Wurzel für die Spekulationen um
Maria Magdalena ist die Gleichsetzung von Maria Magdalena mit der
„großen Sünderin“. Im Lukasevangelium wird von einer Frau berichtet, die Jesu
Füße mit ihren Tränen benetzt und seine Füße salbt - und dass die Anwesenden
sich darüber ärgern, weil sie als stadtbekannte Sünderin gilt. Man vermutet, dass
diese „Sünderin“ vielleicht eine Ehebrecherin oder eine Prostituierte
gewesen ist.
Es gibt allerdings in der Bibel keinen Namen von
dieser Frau. Und es gibt erst recht keinerlei
Hinweis, dass diese Frau und Maria Magdalena ein und dieselbe Person
gewesen wäre.
Erst relativ spät - im Jahr 519 - hatte Papst Gregor der
Erste in einer Predigt Maria von Magdala mit dieser anonymen Prostituierten gleichgesetzt
- und seitdem hielt sich diese legendäre Verbindung hartnäckig bis heute,
obwohl es dafür keinerlei biblischen Beleg gibt. Diese legendäre Sicht von
Maria als ehemaliger Dirne hat in gewisser Weise die Beziehung zwischen Jesus
und Maria Magdalena erotisch aufgeladen. Jesus und eine Liebesverhältnis
- das war spannend für alle, denen sowieso die oft enge moralistische Haltung
der Kirche ein Dorn im Auge war. Bestärkt werden konnte das durch eine späte
gnostische Schrift, das so genannten Philippus-Evangelium von etwa 150 nach
Christus: Dort wird erzählt, dass Jesus Maria wiederholt auf den Mund geküsst habe
und sie als seine Gefährtin bezeichnet wurde. Geprägt ist diese spätchristliche
Schrift von einer deutlichen sektiererischen Kritik am Hauptkurs der damaligen
Christenheit - und da hat man dann eben auch
das traditionelle Verständnis von Jesus kräftig umgedeutet!
Jesus und Maria Magdalena als seine Geliebte! Eine solche Vorstellung
von einer Liebesbeziehung Jesu mit einer Frau, noch dazu mit einer „gefallenen“
Frau, war für die etablierte Kirche immer ein Provokation ersten Ranges.
Hier konnte sich alle Kirchenkritik, alle
Kritik am Männerklerus und der Leibfeindlichkeit der Kirche besonders gut
anlagern und ausdrücken. Und so ist es bis heute geblieben! Die behauptete verbotene
Liebe zwischen Maria Magdalena und Jesus wurde zum Symbol für den Verdacht,
dass die Macht und die Lehre der Kirche die Wahrheit immer wieder
unterdrückt und verbogen habe.
Was aber wissen wir nun eigentlich wirklich über
diese Maria?
Die ältesten und ersten Quellen sind die Evangelien.
Aus den Stellen, wo Maria namentlich erwähnt wird, können wir entnehmen: Maria stammte aus Magdala beim See Genezareth
- richtig übersetzt ist ihr Name also eigentlich
„Maria aus Magdala“. Im Lukasevangelium wird erwähnt, dass
ihr durch Jesus sieben Dämonen ausgetrieben wurden. Zusammen mit anderen
von Jesus geheilten Frauen hat sie Jesus und die 12 Jünger begleitet und
mit ihrem Besitz für den Unterhalt Jesu gesorgt. Dabei wird Maria aber
in keiner Weise den anderen namentlich genannten Frauen gegenüber - Johanna und
Susanna - irgendwie besonders herausgehoben. Sowohl Markus wie Lukas berichten,
dass Maria zusammen mit anderen Frauen bei der Kreuzigung Jesu zuschaute
und die Frauen auch mitverfolgten, wohin sein Leichnam gelegt wurde. Maria aus
Magdala war dann zusammen mit zwei anderen Frauen die erste Osterzeugin,
nachdem sie frühmorgens zum Grab gingen, um den toten Jesus zu salben.
Im Johannesevangelium Kapitel 20 wird dann
ausführlicher die Begegnung von Maria mit dem auferstandenen Jesus geschildert:
Das leere Grab lässt die tief traurige Maria von Magdala zuerst - ganz natürlich
- daran denken, dass der Leichnam Jesu irgendwie weggetragen worden sei. Sie
erkennt den Auferstandenen nicht, hält ihn für den Gärtner und erst als Jesus
sie beim Namen ruft, begreift sie, wer vor ihr steht. Als sie ihn erkennt, ruft
sie voll Freude aus: „Rabbuni“ - das heißt übersetzt: „Mein Lehrer!“. Diese
Bezeichnung beschreibt im Grunde das Verhältnis Marias zu Jesus: Er ist
der von ihr hoch verehrte, vertraute Lehrer, der sie geheilt hat.
Dafür war sie ihm dankbar und sie hat ihren Dank als
Fürsorge für Jesus zurückzugeben versucht. Entgegen aller damaligen Hintansetzung
der Frauen ließ Jesus sie zusammen mit anderen Frauen seine Schülerinnen sein,
die zusammen mit den männlichen Jüngern ihm nachfolgten.
Dass Maria und Jesus ein durchaus herzliches
Verhältnis zueinander hatten, könnte man dem Hinweis entnehmen, dass sie ihn nach
dem Bericht des Johannesevangelium gleich umarmen wollte, als sie ihn dann
am Ostermorgen erkannte. Es mag wohl auch möglich sein, dass sie für
diesen Mann als Frau liebevolle Gefühle empfunden hat. Und es ist nicht
einmal völlig auszuschließen, dass auch Jesus zu ihr eine besondere Zuneigung
gehabt hat. Immerhin redet das Johannesevangelium auch von dem Jünger, den er besonders
lieb gehabt hatte und gibt damit der Möglichkeit Raum, dass es auch bei
dem Menschen Jesus Gefühle schwächerer und stärkerer persönlicher Zuneigung
gab. Aber - wir wissen es nicht!
Nichts aber deutet darauf hin, dass Maria von Magdala
zu Jesus eine intime Liebesbeziehung gehabt hätte.
Jesu Worte zur Ehe, die in allen Evangelien gleich lautend
überliefert sind, zeigen, dass er das Gebot: „Du sollst nicht
ehebrechen!“ sehr ernst genommen hat. „Jeder, der eine Ehefrau
ansieht, um sie zu begehren, hat ihr gegenüber in seinem Herzen schon Ehebruch
begangen“, sagt Jesus radikal in der Bergpredigt. Und das
schließt nach damaligem Verständnis natürlich selbstverständlich jede außereheliche
intime Beziehung sowieso aus. Dass Jesus diesem hohen Ehe-Ideal mit
einer intimen Liebesbeziehung mit Maria Magdalena öffentlich völlig
selbst widersprochen hätte, das ist einfach ganz unwahrscheinlich und es
finden sich dafür in der biblischen Überlieferung tatsächlich auch keinerlei
Spuren.
Ist es denn dann überhaupt gar keine Liebesgeschichte
- diese Beziehung zwischen Jesus und Maria von Magdala?
Es kommt darauf an, was man unter Liebe versteht!
Dass Liebe sehr viel mehr umfasst, als die erotische
Liebe, das macht gerade das biblische Zeugnis klar.
Gerade die griechisch Sprache, in der das Neue Testament
verfasst ist, hat für die Liebe nicht nur ein Wort, sondern mehrere
Worte. Wenn von der väterlich-mütterlichen Liebe Gottes geredet wird,
dann geht es um die fürsorgende, elterliche Liebe, die agape. Die Nächstenliebe,
von der Jesus redet und erst recht die Feindesliebe hat nichts mit Sympathie zu
tun, sondern mit der christlichen Verantwortung, den anderen als Geschöpf
Gottes zu achten. Und wenn Jesus insbesondere seine Jünger und Jüngerinnen
aufruft: „Liebet einander, wie ich euch geliebt habe!“, dann geht
es um die Hingabe und Treue, die Jesus vorgelebt hat und mit der allerengste Freunde
füreinander einstehen. Wenn der auferstandene Christus dann am Schluss des
Johannesevangeliums Petrus dreimal fragt: „Hast du mich lieb?“, dann
geht es da um den vertrauenden Glauben, der in Jesus das
freundliche Angesicht Gottes erkannt hat.
Es gibt eben nicht nur die Liebe als
leidenschaftliches erotisches Gefühl zwischen zwei Verliebten, sondern es gibt
auch die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind, die tiefe Zuneigung unter Freunden
und die barmherzige Liebe Gottes zu den Menschen.
Von dieser Erkenntnis aus - meine ich - ist die
Geschichte von Maria von Magdala und Jesus tatsächlich eine ganz eigene
Liebesgeschichte! Auch wenn das menschliche Sensationsbedürfnis durch Marias
Liebesgeschichte zu Jesus nicht bedient werden kann, so spielen doch
darin Dinge eine Rolle, die wesentliche Bestandteile wirklicher Liebe
sind.
Das erste wichtige Element der Liebe bei Maria
ist die Dankbarkeit. Sie wurde durch Jesus von irgendeiner
wahrscheinlich seelischen Gefangenheit und Qual befreit und geheilt. Geheilt
zu sein war für sie nicht irgendeine Selbstverständlichkeit, sondern sie war Jesus
dafür offensichtlich tief dankbar - so dankbar, dass sich ihre
Dankbarkeit in der Hingabe für seine Sache ausdrückte. Sie hat ihn
materiell unterstützt und wollte mehr wissen von diesem Lehrer. Dass Jesus sie
mit anderen Frauen mitziehen ließ durch Galiläa war eine für uns heute kaum
mehr nachvollziehbare Besonderheit, eine ungeheure Aufwertung und
Gleichstellung dieser Frauen. So geachtet und respektiert zu werden
hat Marias Zuneigung zu Jesus sicher noch besonders gestärkt. Als dann
nach der Gefangennahme Jesu fast alle Jünger flohen und ein Petrus gar Jesus
dreimal verleugnete, hat sie den Mut, nicht zu fliehen, sondern Jesus
auf seinem Weg in die Isolation treu zu begleiten, so gut es möglich war. Sie
steht am Kreuz. Sie folgt zum Grab. Sie möchte ihm auch nach dem Tod einen
letzten Liebesdienst erweisen und wird am Ostermorgen dann zur Auferstehungszeugin,
die nur allmählich begreift, dass ihre Liebe keine verlorene
Liebe ist. Jesus ist für sie da - allerdings nun nicht mehr als der bewunderte
Lehrer, sondern als der Gesalbte Gottes, der endzeitliche Messias, in dem Gottes
Liebe zu ihr und zu allen Menschen Gestalt geworden
ist.
Dankbarkeit, Hingabe, respektiert werden, Mut und Treue -
all das sind ganz wesentliche Bestandteile wirklicher Liebe. Solche Liebe hat
Maria von Magdala gelebt in der Nachfolge Jesu - und mir scheint, sie
wäre darin ein gutes Modell für unser Verständnis von Nachfolge Jesu,
für unsere Liebe zu Gott im Glauben:
Dankbarkeit für von Gott geschenkte Heilungen und Befreiungen im Leben.
Fürsorgliche Hingabe im Tun des Guten.
Freude darüber, von Christus als eigener Mensch
gewürdigt und geliebt zu werden.
Mut, sich zu Christus zu bekennen.
Treue im Festhalten an ihm.
Nachfolgen in diesem Sinn, liebe Gemeinde, heißt:
Jesus lieben! - und Maria von Magdala hat diese
Liebe in der Nachfolge Jesu vorgemacht!
War
es also eine Liebesgeschichte zwischen Jesus und Maria von Magdala? Ja, es war
eine Liebesgeschichte, die viel, wenn auch nicht alles von der
Bandbreite menschlicher Liebe umfasste.
Vielleicht
könnte man Maria am ehesten als eine Freundin Jesu bezeichnen - und zwar
in dem Sinn, in dem Jesus seine Jünger im Johannesevangelium „Freunde“ genannt
hat.
Jesus
unterscheidet dort den Freund vom Knecht, der bloßer
Befehlsempfänger ist. Der Freund aber ist ein Eingeweihter.
Er
hat Anteil an dem, was den anderen ausmacht. In diesem Sinn ist
Maria Jesus in einer freundschaftlichen Liebe verbunden gewesen, die sie
zu einer befreiten, selbstbewussten, mutigen und erwartungsvollen Frau gemacht
hat. Und vielleicht könnte man - im Blick auf Maria - Glauben im christlichen
Sinn ziemlich treffend genau so beschreiben: Das Leben im
Bewusstsein der freundschaftlichen Liebe Jesu, in der ich mich als befreit
und geachtet erlebe und zu einem dankbaren und hingebungsvollen
Menschen verwandelt werde - wie Maria von Magdala!
Amen
Samstag, 13. September 2014
Barbara Brückner-Walter: Komm her, meine Schöne! (Hoheslied)
„Siehe,
mein Freund, du bist schön und lieblich!“ Sagt sie. Und er: „Siehe, meine Freundin, du bist schön; schön bist du, deine Augen sind
wie Taubenaugen.“
Liebe
Gemeinde, hätten Sie gedacht, dass dieses Liebesgeflüster in der Bibel steht?
Im Lied der Lieder – schir haschirim – im Hohelied, das Salomo zugeeignet wird,
aber nicht wirklich von ihm stammt. Ja, da kann man, kann frau es lesen und
sich daran freuen. In wunderschönen Bildern wenden sich zwei Liebende einander
zu, beschwören ihre Liebe, besingen sie und geben so viel davon weiter: von
ihrer Freude, ihrem Überschwang, ihrer Erfüllung! Heute dürfen sie zu Wort
kommen, wenn ich das überhaupt mit Worten beschreiben kann, was da passiert.
Ich möchte Sie einladen, Sie dürfen ruhig zuschauen und zuhören bei dem
Liebesspiel der beiden. Nicht umsonst ist dieses Liebeslied ja in der Bibel
aufgeschrieben, nicht umsonst. Nein, gewiss nicht! Aber warum eigentlich? Warum
dürfen wir Bibel Lesenden teilhaben an dem Liebesgeflüster dieser beiden?
Früher
haben die Bibelausleger – und das waren ausschließlich Männer – sie haben
versucht, das Hohelied anders zu lesen und zu verstehen: als Allegorie, im
übertragenen Sinn, als Bild für die Liebe zwischen Gott und den Menschen. Den
strengen Kirchenvätern der alten Kirche mag es peinlich gewesen sein, diese
Texte überhaupt zu lesen, für alles menschlich Körperliche und erst recht für
Sexualität hatten sie keinen Sinn
oder durften zumindest keinen Sinn – keine Sinne - dafür haben.
Inzwischen
sind sich fast alle Theologinnen und Theologen darin einig, dass es im Hohelied
um eine leidenschaftliche, erotische Liebe zwischen zwei Menschen geht. Und
gerade deshalb ist es gut, dass dieses Lied in der Bibel steht. Denn ist es
nicht eines der schönsten Gaben göttlicher Schöpfung, wenn sich Menschen in
gegenseitiger Liebe aneinander und miteinander erfreuen können? Und diese
Schöpfergabe darf, ja sie soll besungen werden, zum Lobe Gottes und der
Menschen als Gottes Geschöpfe! Von Gott in diese Welt gestellt mit ihren vielen
Möglichkeiten und Gefährdungen, mit der Gabe zu lieben - so erlebe ich mich, so
mögen auch Sie sich erleben - als Mann oder als Frau: zur Liebe fähig; und doch
will sie mir immer wieder entgleiten, die Liebe, die große. Im Hohelied kommt
sie mir wirklich groß entgegen - und nimmt mich mit auf einen wunderbaren
Liebespfad. Lassen auch Sie sich einladen, versuchen Sie einfach, sich zu
öffnen für diese außergewöhnliche Liebeslyrik der hebräischen Bibel, die weder
Scheu noch Scham kennt!
Wie
schön werden die beiden Liebenden! Wie schön in den Augen des geliebten
Partners, der geliebten Partnerin! „Mein Freund ist weiß und rot, auserkoren
unter vielen Tausenden. Sein Haupt ist das feinste Gold. Seine Locken sind
kraus, schwarz wie ein Rabe. Seine Augen sind wie tauben an den Wasserbächen,
sie baden in Milch und sitzen an reichen Wassern. Seine Wangen sind wie
Balsambeete, in denen Gewürzkräuter wachsen. Seine Lippen sind wie Lilien, die
von fließender Myrrhe triefen. Seine Finger sind wie goldene Stäbe, voller
Türkise. Sein Leib ist wie reines Elfenbein, mit Saphiren geschmückt. Seine Beine
sind wie Marmorsäulen, gegründet auf goldenen Füßen. Seine Gestalt ist wie der
Libanon, auserwählt wie Zedern. Sein Mund ist süß, und alles an ihm ist
lieblich. – So ist mein Freund, ihr Töchter Jerusalems!“ (Hld 5,10-16)
Stolz spricht sie von ihrem Geliebten, in diesen von orientalischer Natur und
Kultur geprägten Bildern! Ganz unverblümt beschreibt sie ihn so, wie sie sich
von ihm angezogen fühlt. Das ist das besondere an ihm, das für sie so besondere:
nur er hat, was sie begehrt. Er allein ist es, der sie mit Liebe erfüllt.
Und
er steht ihr in nichts nach, auch sie wird unter seinem liebenden Blick
wunderschön. So redet er sie an: „Siehe, meine Freundin, du bist schön!
Siehe, schön bist du! Deine Augen sind wie Taubenaugen hinter deinem Schleier.
Dein Haar ist wie eine Herde Ziegen, die herabsteigen vom Gebirge Gilead. Deine
Zähne sind wie eine Herde geschorener Schafe, die aus der Schwemme kommen; alle
haben sie Zwillinge, und keines unter ihnen ist unfruchtbar. Deine Lippen sind
wie eine scharlachrote Schnur, und dein Mund ist lieblich. Deine Schläfen sind
hinter deinem Schleier wie eine Scheibe vom Granatapfel. Dein Hals ist wie der
Turm Davids…deine beiden Brüste sind wie junge Zwillinge von Gazellen, die
unter den Lilien weiden. Bis der Tag kühl wird und die Schatten schwinden, will
ich zum Myrrhenberge gehen und zum Weihrauchhügel. Du bist wunderschön, meine
Freundin, und kein Makel ist an dir.“ (Hld 4,1-7).
Und
so verzehren sie sich in Sehnsucht und lassen sich rufen. Er lockt sie zum
Liebesspiel: „Steh auf, meine Freundin! Komm mit mir, meine Braut!“ Sie wird
für ihn zur Lilie unter den Dornen, und er für sie wie ein Apfelbaum unter den
wilden Bäumen. „…unter
seinem Schatten zu sitzen begehre ich, und seine Frucht ist meinem Gaumen
süß…Seine Linke liegt unter meinem Haupte, und seine Rechte herzt mich….Mein
Freund gleicht einer Gazelle oder einem jungen Hirsch.“ -
„Du
hast mir das Herz genommen, meine Schwester, liebe Braut“ -seine Worte verraten ein bisschen
davon, um wie viel es geht: um alles! Das Körperliche steht im Mittelpunkt
dieser Liebeslyrik, aber ihre Liebe erschöpft sich nicht darin. Ihre Sexualität
ist vielmehr Ausdruck einer großen Liebe, die den und die andere ganz meint,
als Person, nicht als Objekt der eigenen Begierde. Als größtes Geschenk
vielmehr, das Menschen einander machen können. So singt sie: „Mein
Freund ist mein, und ich bin sein“. „Meinem Freund gehöre ich, und
nach mir steht sein Verlangen.“ Beide finden sie ihr Glück und ihre
Erfüllung nicht in sich selbst, sondern im andern. Beide werden für den
anderen, für die andere zur Quelle der Lust!
Und
so bleibt auch offen, wer führt und wer geführt wird. Es ist ein Spiel auf
Augenhöhe – welch revolutionäre Liebe in jener biblischen Zeit der Männerherrschaft! Es ist die
Frau, die begehrend das Lied eröffnet: „Er küsse mich mit dem Kusse seines
Mundes…!“ Das Spiel geht hin und her, ein Geben und Nehmen, es wechseln
aktiv und passiv, es wechselt, wer oben ist und wer unten. Alles bewegt sich,
die Dinge sind im Fluss. Natürlich gibt es männliches und weibliches, aber die
Zuteilung fließt: das Männliche ist nicht nur des Mannes, das Weibliche nicht
nur der Frau. In dieser Liebe verschwimmen die Grenzen, und die Liebenden
verlieren sich, aneinander und ineinander.
Wie
berührend schön diese Liebe besungen wird, so kennt sie doch eben auch das
andere, gefährdende. Aber vielleicht ist sie gerade deshalb so stark, die
Liebe, weil sie sich wehren muss. Gegen das dunkle, gewalttätige, und dagegen,
verloren zu gehen und zu verlieren. Da will sie ihm öffnen – „mein
Innerstes wallte ihm entgegen“. „Aber als ich meinem Freund aufgetan hatte,
war er weg und fortgegangen. Meine Seele war außer sich, dass er sich abgewandt
hatte. Ich suchte ihn, aber ich fand ihn nicht; ich rief, aber er antwortete
mir nicht.“ Der dunkle Untergrund, der die Liebe zerstört. Das Spiel
kann auch misslingen, die Liebe kann scheitern. Das kennen die Menschen zu
biblischer Zeit, auch davon wurde und wird gepredigt in diesem Sommer. Und das
kennen wir alle bis in unsere Tage. Wo Menschen einander ausnutzen, unter Druck
setzen, belügen, wo Gewalt im Spiel ist, wo die Würde des Partners, der
Partnerin mit Füßen getreten wird, wo Liebe mit Besitzenwollen oder mit der
Befriedigung der eigenen Bedürfnisse verwechselt wird, wo das Umfeld der
Liebenden einen störenden, ja zerstörerischen Einfluss ausübt, da ist die Liebe
in Gefahr. „Es
fanden mich die Wächter, die in der Stadt umhergehen; die schlugen mich wund.“ Gewalt
muss sie erleiden, schlimme Gewalt. „Die Wächter auf der Mauer nahmen mir meinen
Überwurf.“ Eine Andeutung oder Anspielung auf jene wohl schrecklichste,
entwürdigendste Form der Gewalt – vor schwarzen Abgründen also entfaltet sich der
helle Liebeszauber des Hohelieds. „Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems,
findet ihr meinen Freund, so sagt ihm, dass ich vor Liebe krank bin!“
Sie
finden sich. Gegen alles, was sich zwischen die Liebenden drängen will, über
alles, was ihre Liebe gefährdet, scheint sie erhaben, die Liebe: das Spiel geht
weiter. Aber am Ende dieser Liebeslyrik schwingt noch ein anderer, ein neuer Ton
mit hinein. „Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm.
Denn Liebe ist stark wie der Tod und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich.
Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des Herrn, sodass auch viele Wasser die
Liebe nicht auslöschen und Ströme sie nicht ertränken können. Wenn einer alles
Gut in seinem Hause um die Liebe geben wollte, so könnte das alles nicht
genügen.“ Er führt über die beiden Liebenden
hinaus, dieser neue Ton. Weil diese Liebe alles
überbietet. Es gibt nichts stärkeres – „Liebe ist stark wie der Tod…ihre Glut ist
feurig und eine Flamme des Herrn…“ In dieser so alles überbordenden
Liebe ist Gott selbst! Es ist das erste und einzige Mal, ganz am Schluss des
Hohelieds, dass sich Göttliches hinein mischt. Und mit welcher Kraft, mit
welchem Gewicht! Nichts könnte dies aufwiegen! Und auch nicht die dunkelsten
Gefährdungen der Liebe, die ja so menschlich sind, können dem trotzen. Denn
Göttliches ist ja immer schon da – in der Liebe, die beiden Liebenden haben’s
längst schon gespürt, auch wenn’s nicht so direkt ausgesprochen wurde. Aber was
ist’s denn anderes, wenn wir lieben, als dem entgegen zu leben, wofür uns Gott
geschaffen und befähigt hat! Und so darf diese Liebeslyrik am Ende – und
eigentlich schon von Anfang an – sich viel weiter gefasst und verstanden
wissen: als Weg der Liebe, der so verlockend besungen wird, auf dem ich Gott
begegnen und erspüren darf. Als Weg der Erotik – mit all den Schattierungen,
die weit über das liebende Miteinander zweier Menschen hinaus weisen. Und auf
diesem Weg darf ich mich immer wieder als Anfängerin bewegen – als Anfängerin
der Liebe, die auch Fehler macht, die anderen vieles schuldig bleibt und doch
immer wieder neu auf die Suche geht: auf die Suche nach der Liebe mit ihrer
feurigen Glut und ihrer unwiderstehlichen Leidenschaft! Amen.
Gott, du Melodie meines Lebens,
Gott, du Melodie meines Lebens,
du Klang und Musik –
sanft und zart
kraftvoll und stark –
geheimnisvoll mich
liebkosend
berührend umfassend
oft so fern – und
dann wieder
in mir, Gott.
Öffne meine Ohren –
damit ich deinen
Klang höre
streichle meine Haut
–
damit ich deine
Berührung spüre
nimm mich in den Arm
–
damit mein Herz Ruhe
findet in dir
damit mein Körper
Antwort ist
meine Lippen Worte
formen
kann ich zur Antwort
werden
und zögernd erklingt
mein Lied
in der Welt für dich
und die Menschen:
für alle, die sich
geliebt wissen und Liebe weiterschenken
für alle, die leiden
und sich nach Liebe sehnen –
für die Opfer von
Hass und Gewalt in der Ukraine, im nahen und mittleren Osten und überall auf
der Welt, wo Krieg und Unfrieden herrschen.
Gott – du Melodie
allen Lebens,
lass deine Menschen
das Lied des Lebens und der Liebe singen.
Vaterunser im Himmel...
Sonntag, 7. September 2014
Sonntag, 31. August 2014
Martin Schultheiß: Die Liebe in furchtbaren Zeiten: Moses Eltern (2. Mose 1ff)
Liebe Gemeinde,
im Rahmen dieser Sommer-Predigtreihe haben Sie nun schon einige Aspekte zum Thema Liebe hören können.
im Rahmen dieser Sommer-Predigtreihe haben Sie nun schon einige Aspekte zum Thema Liebe hören können.
Heute möchte ich Sie gerne
mitnehmen auf einen Weg zu Menschen, die den Glauben an die Liebe und an Gott
verloren haben, weil ihnen furchtbares Leid geschah.
Vom Nahen Osten hören wir
grausige Berichte von Massakern an Jesiden und Kurden, Christen und Muslimen.
Gaza versank in Trümmern,
israelische Mütter beklagen ebenfalls ihre Kinder usw.
In Afrika und vielen anderen
Regionen der Erde ist es nicht anders.
…. Ebola, 12 Bürgerkriege (!)
allein in Afrika derzeit … und …
Wie denkt wohl ein Mädchen in
Indien, das vergewaltigt wurde, schwanger wurde - und- damit niemand im Dorf solche Schande
sehen sollte, weit entfernt auf einer christlichen Missionsstation ihr Kind zur
Welt brachte??? –
Es dann dort ließ, dem Versprechen der Christen dort trauend,
dass diese für ein geordnetes Aufwachsen ihrer kleinen Tochter sorgen würden.
Wie hat es das Herz einer
Witwe in Kambodscha zerrissen, als sie das letzte ihrer Kinder, welche die
Häscher der roten Khmer nicht getötet hatten, eine Tochter, ins Ausland gibt, als sich die
Möglichkeit dazu bietet – nicht wissend, was aus ihr wird und wer sie selbst dann
im Alter begleiten wird???
Zwei Kinderschicksale – und
das ihrer Mütter - stelle ich heute stellvertretend - für das unzählige Leid
das über Menschen kam und - leider immer und immer wieder kommt, - in die
Mitte.
Ich erinnere gleichzeitig
daran, dass dies leider „schon immer“ so war, wo die Ungerechtigkeit
triumphierte.
Das war nicht anders vor über
3000 Jahren im Nil-Delta, als einem hebräischen Sklavenpaar ein Sohn geboren
wurde.
Zu der Zeit galt der Befehl
des Pharo, - der sich vor einer Überfremdung seines Landes fürchtete- und deshalb den Hebammen der hebräischen
Frauen befohlen hatte – alle Büblein gleich nach der Geburt umzubringen.
Die Mädchen, ja, die konnte er als Sklavinnen für alles und
jedes gebrauchen, denn das waren ja keine künftigen Soldaten des Feindes.
Mit List konnte eine junge
Mutter ihr Büblein 3 Monate im Haus verstecken, aber dann blieb nur noch ein
Versteck vor den Häschern des Pharao - weit draußen im Schilfgürtel des
Nilstromes.
Miriam, die Schwester, sollte auf ihr kleines. Brüderlein
aufpassen.
Einige Zeit ging das gut, bis
– ausgerechnet eine Tochter des Pharao mit ihren Gespielinnen – genau dorthin
zum Baden kam.
War das Zufall?
Wir Christen wissen darum,
dass es keine Zufälle gibt, sondern dass hinter allem scheinbar zufälligen,
immer noch die Hand Gottes wirkt.
Davon wusste das junge
Sklavenpaar damals aber nichts.
Sie erlebten nur, dass ihnen
ihr Kind weggenommen wurde, gleich nach der Stillphase – sie hofften vielleicht
noch, dass es ihrem Kind dort besser gehe, als bei ihnen.
Sogar einen neuen Namen gab
die Prinzessin dem Kind und erklärte es damit zu ihrem eigenen Kind: „Moses“-
der aus dem Wasser gezogene“
Auch eine Art
Leihmutter-Geschäft.
Anders als in Thailand
derzeit – aber für Eltern ist es
immer schlimm - ein Kind hergeben zu müssen!!
Wo bleibt da die Liebe?
Das fragen sich auch bei uns
Menschen, denen der Tod Kinder nimmt, sei es mit Ansage durch eine schlimme
Krankheit – oder von einem Moment auf den anderen- durch einen Unfall oder gar Mord.
Liebe ist das Band, das eine
Familie zusammenhält. Eltern nehmen viele Opfer und Entbehrung auf sich um
ihren Kindern eine geordnete Zukunft zu ermöglichen.
Liebe - ist das Band mit dem
Eltern und Kinder verbunden sind und sie zur Familie werden lassen.
Eine Liebe, die nicht
berechnet, was kostet mich das und was bringt mir das, - sondern die sich
einfach verströmt im Miteinander der Tage, bis die Zeit kommt, da die Kinder
das Haus verlassen.
Und auch dann bleibt dieses
Band erhalten, wenn es nicht von einer Seite überstrapaziert wird.
Was aber bleibt von dieser
Liebe – wenn der Tod dieses Band brutal abschneidet?
Welchen Sinn hatte dann diese
Liebe?
Wenn eine grausame Krankheit,
- eine schwere Behinderung- oder
gar der Tod - alles an Lebenshoffnungen über den Haufen wirft, - was bleibt
dann?
Ich kann nur von mir selbst
berichten, - wie mir es ging, als ich und die Meinen diesen Kelch trinken
mussten.
Ein Verkehrsunfall riss eines
unserer Kinder von einem Moment auf den anderen aus unserer Mitte.
Der Schock zunächst war fast
noch eine Gnade – das alles gar nicht bis in die Tiefe zu realisieren, was sich
da verändert.
Aber dann kamen große Zeiten
der Einsamkeiten.
Die Last der Trauer ist so
schwer, - da kann man sich nicht mal als Ehepaar gegenseitig diese Last
abnehmen. Viele Ehen scheitern gerade in solchen Zeiten. Auch den anderen
Kindern kann man da nicht genug Begleiter sein.
„O Gott, wie kannst Du das
zulassen“ – so schrie ich wie alle Todwunden.
Da ist nichts mehr wie es war
– auch nicht die Liebe – da ist nur noch „Black-out“ – wie ein Netz ohne Strom.
Wir haben nur noch funktioniert, - mechanisch, ohne Antrieb.
Ich meinerseits war innerlich
ganz leer. Ich konnte nichts mehr tun.
Und dann habe ich und die
Meinen dies Wunder erlebt: Das Mit-leiden und Mit-Tragen unserer Verwandten,
vieler Freundinnen und Freunde - und ja, der Gemeinde in der wir gelebt hatten.
Seither empfinde ich dies Geschenk, das Gott uns mit
„Gemeinde“ macht, als eine riesige
Kostbarkeit.
Wir waren nicht allein
gelassen worden – das haben wir aber erst so nach und nach gemerkt.
Und die hilfreichste Beileidsbezeugung war uns nicht mal auf
irgendeiner der vielen Kondolenz-Karten begegnet, obwohl da auch viel Liebe
drin war, - sondern im Kochtopf einer beherzten Nachbarin, die klingelte und
nur sagte: „ich weiß nicht was ich sagen soll, aber ich weiß dass ihr
jetzt eine Nudelsuppe braucht!“
In dieser Zeit ist uns viel Liebe begegnet – durch
viele und vielerlei Menschen – über lange Zeit hinweg.
Ja, es hat Zeit gebraucht –
lange Zeit – bis ich von der Anklage an Gott weiterkam - und an diese
Gesellschaft,- die dem Verkehr auf der Straße so viele Opfer überlässt.
Zeit- ist ein Bestandteil meiner Heilung
geworden – Zeit, in der ich neu entdeckt hatte – ich war ja gar nicht von Gott
verlassen gewesen, sondern von Recht und Ordnung auf der Straße.
Wie eine Morgendämmerung ist
mir die Liebe Gottes so langsam wieder neu aufgegangen. Auch weiterhin konnte ich nur sehr verhalten
oder unter Tränen die Lieder mitsingen, die Dank und Freude so überschwänglich ausdrücken.
Und dann habe ich plötzlich
gemerkt, dass jeder Tag, der vergeht – uns nicht weiter auseinander bringt –
meinen Sohn Christoph und mich – sondern dass jeder Tag der vergeht uns näher
aufeinander zuführt – dem Reich Gottes entgegen.
Das war mir ein ganz großer
Trost – und ist es bis heute – wenn ich mir so vorstelle: - hätte er jetzt wohl
auch eine Familie, wenn er noch bei uns lebte?
Ich habe gemerkt: die Liebe
kann ich nicht einspannen und gebrauchen oder erzwingen, wie ich will.
Aber von vielen Seiten her
kam Liebe zu mir – durch ganz unterschiedliche Menschen, auch solche, von denen
ich es nie erwartet hätte.
Nur der „Frömmste und Bibelfesteste“ damals – wusste nichts
anderes als mich zu fragen, ob mein Sohn (mit seinen 6 Jahren) sich wohl schon
zu Christus bekehrt gehabt hätte und damit gerettet wäre - oder „verloren“ sei?
„Herr, vergib ihnen – denn
sie wissen nicht, was sie da
reden!“
Gerade aus der Bibel habe ich
meinen größten Trost gezogen,
gerade aus den Zusagen Gottes - seiner unaufhörlichen Liebe
zu uns!
Der allen um ihr
(Lebens-)Recht gebrachten zu ihrem Recht verhilft.
Nicht wir tun das
Entscheidende! Was unser Gott geschaffen hat – das wird ER auch
erhalten!
Darin habe ich meinen ganz
tiefen Frieden gefunden – in der Liebe Gottes zu seiner ganzen Welt.
Wer könnte uns scheiden von
der Liebe Gottes ….?
Nichts und niemand.
Nicht einmal der Tod
So brutal er auch an uns
kommen kann.
Ich habe erlebt, wie alle
menschliche Liebe – erst aus der Liebe Gottes zu uns allen - seine Kraft bezieht!
Als ich lieb-und leblos war,
habe ich erlebt, geliebt zu werden, von vielen, - bis neue Liebe in mir wachsen
konnte.
Das will ich zu Gottes Ehre
heute bekennen – ja – seine Liebe zu uns ist stärker als der Tod.
Jetzt begreife ich die
Wahrheit dieser Aussage!
Ich wundere mich – dass ich so fröhlich bin! –Getrost bin.
Gott sei Dank!!!
Und ich bleibe dankbar den
Vielen gegenüber, die uns damals durchgetragen und begleitet haben und uns
Liebe zugeströmt haben, auch wenn wir zunächst kaum etwas davon aufnehmen
konnten.
Ein Kind – so brutal
entrissen zu bekommen – dieses Los teile ich mit viel zu vielen Menschen – mit
Millionen Menschen, wenn ich so auf den Weg der Menschheit zurückschaue. Ich
bin nicht der Einzige, dem es so erging.
Aber auch diese Erkenntnis (!)
wurde mir wie eine schützende Gemeinschaft, die mich mit einschließt und
umfängt.
Es gibt Menschen die mich
verstehen.
Die sich gegenseitig, trotz
aller Wunden ihrer Seele, mit Liebe und Achtung begegnen.
So sind meine Gedanken jetzt
gerade oft bei den Menschen in Nahost, bei allen (!) denen Unrecht und Leid
geschah.
Ich bringe sie im Gebet vor
unseren himmlischen Vater und bin gewiss, dass er kein einziges Menschenleben,
das um sein irdisches Recht gebracht wurde – vergisst. Gott bringt alle zu
ihrem Recht!
Und ich will mit meinem
Verhalten darauf achten, dass ich nichts unterstütze, das die Gewalttätigen und
Rechtsbrecher, wo auch immer, fördern würde.
Im Gegenteil – ich will meine
Stimme und mehr für die Rechtlosen einbringen. Und meine Tat.
Als der Prophet Jeremia
berufen wurde in sein Amt – erschrak er zunächst: „ich bin zu jung, zu gering,
ich kann zu wenig ….“(Jer.1)
Aber dann berichtet er
später, wie Gott ihn an der Hand nahm,
wie die Furcht ihre Macht verlor – als er
gemerkt hatte: Das Entscheidende tut immer Gott selbst.
Nicht er, der kleine Prophet, musste die Welt retten!
Gott verlangte nur von ihm –
genau hin zu schauen – was er da sieht.
Und Jeremia hat plötzlich
nicht mehr nur das Negative gesehen, nicht mehr nur die schlimmen Nachrichten
gehört, nicht mehr nur gejammert, wie schlecht diese Welt doch ist.
Nein – er hat beides gesehen
– sowohl das Bodenlos Böse dieser Welt – aber auch, wie immer wieder
neues Leben aufblüht – unzerstörbar.
Die Wahrheit und das Leben
und die Liebe – sie sind nicht tot zu kriegen!
Jeremia beschreibt uns das
anhand eines knospenden Zweiges – wie aus „scheinbar“ totem Holz neues Leben
erblüht.
Und er vertraut der Zusage
des lebendigen Gottes, dass dieser selbst darüber wachen wird – das dies in
Erfüllung geht.
Auch abgefrorene Blütenzweige
können neu ausschlagen und Frucht bringen!
Der indische Säugling, von
dem ich eingangs sprach, den seine Mutter loslassen musste und im Unbekannten
verschwand – wurde nach Deutschland adoptiert – und lebt heute als Mutter einer
glücklichen Familie im Ruhrgebiet.
Die Witwe in Kambodscha – die
ihre Tochter loslassen musste, darf heute erleben, wie ihre Tochter, heute
ebenfalls mit einer glücklichen Familie in Deutschland gesegnet – durch ihrer
Hände Arbeit – und der Hilfe so mancher, die davon wissen und mithelfen - der
Mutter in Kambodscha ein würdiges Alter in betreutem Wohnen in einer Familie
dort ermöglicht hat.
Und selbst der kleine Mose
von einst – ist nach vielem Irren und Wirren, zum großen Segen seines Volkes
geworden, dann, als er Gott selbst das letzte Wort überließ.
Das sind für mich
–aufknospende Zweige der Liebe, die durch Gott in die Welt kam, von
Menschen aufgenommen wurde und nun diese Erde als ein Netzwerk der Liebe
umspannen.
Erwachende Zweige des Lebens!
Wegweiser der Treue Gottes!
Liebe gebärende Wunder des
Herrn!
Ich weiß aber auch um das
namenlose Leid, das auch heute geschieht – und um die Tränen so vieler, die am
Leben und an der Liebe verzagen – weil sie nichts aufblühen sehen.
Und dennoch!
Einer dieser Vielen ist Fritz
Rosenthal – ein Urmünchner, dem die bayrische Lebensart sehr gefiel. Aber 1933
gefiel er manchem seiner Zeitgenossen dort gar nicht mehr und sie spielten ihm
übelst mit.
Das erkannte er als Zeichen der Zeit - als aufblühen eines
giftigen Strauches.
Daraufhin hat er alles
zurückgelassen und ist nach Jerusalem gezogen, in die Heimat seiner Vorfahren.
Von dort aus hat er die
Schrecken des 2. Weltkrieges miterlebt.
1942 notiert er den Satz:
„Muss
man nicht verrückt sein, in dieser Welt an Frieden zu glauben?“
Ja, er war ver-rückt, ab-gerückt,
weg-gerückt von der Meinung vieler, das es nur noch Mord und Totschlag gibt. (meschugge)
Er gab sich selbst einen
neuen Namen, als Lebensprogramm:
„ Friede, Sohn der Freiheit“ =
Schalom Ben Chorin
Und hat seine Generation an das Erlebnis des Jeremia erinnert:
„Ich
sehe bereits den Frieden aufgehen“
Als Journalist hatte Schalom Ben-Chorin die Gabe- solches in gute Worte zu fassen:
„Freunde, dass der Mandelzweig, wieder blüht und treibt, ist das nicht ein Fingerzeig, dass die Liebe bleibt.
Dass das Leben nicht verging, soviel Blut auch schreit – achtet dieses nicht gering – in der trübsten Zeit!“
Ja, auch in furchtbaren Zeiten, die Menschen je durchmachen müssen und mussten – war immer Liebe da, immer um sie herum und einhüllend, auch dort, wo die Liebe als solche zeitenweise nicht mehr wahrgenommen wurde.
Aber sie war da – und sie ist da – und sie bleibt da –
Weil in Jesus Christus die ganze Liebe Gottes zu uns Menschen gekommen ist. - Und bei uns bleiben wird in Ewigkeit!
Amen
Freitag, 29. August 2014
Donnerstag, 28. August 2014
Lesetipp: Selbstliebe! Aber wie?
Auf "Reizende Rundungen" erzählt Fat-Acceptance-Aktivistin und Plus-Size-Bloggerin Kathrin, wie sie das macht mit der Selbstliebe - bezogen auf ihren Körper. Lesenswert und sicher übertragbar auf andere Bereiche, an denen wir zu knabbern haben.
Bitte hier entlang:
Selbstliebe! Aber wie?
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Selbstliebe! Aber wie?
Dienstag, 26. August 2014
Evelyn Helle: Gefährliche Liebschaft: Tobias und Sara (Buch Tobit)
Kapitel 12 -
Buch Tobit:
Ich lese das
Ende der Geschichte von Tobias und Sara, die gut ausgegangen ist. Der Engel
Rafael, Tobias Reisbegleiter, offenbart sich selbst: …
(zum biblischen Text hier entlang)
(zum biblischen Text hier entlang)
Liebe
Gemeinde,
vielleicht
haben Sie das Buch Tobias oder auch Tobit in Ihrer Lutherbibel erfolglos
gesucht. Es gehört zu den sogenannten Apokryphen, die nur in der katholischen
oder auch in den ökumenischen Bibeln abgedruckt sind.
Apokryphen,
griechisch; sind „verborgene“, von der öffentlichen Verbreitung ausgeschlossene
Schriften, den kanonischen Büchern nicht gleichgestellte jüdische und
christliche Schriften.
Kanon
(Regel, Richtschnur): Die als echt anerkannten Bücher der Bibel.
M. Luther:
„Das sind Bücher, so der Heiligen Schrift nicht gleich gehalten, doch nützlich
und gut zu lesen sind.“
Im Buch
Tobias geht es um die Geschichte eines jungen Paares, nämlich Tobias und Sara,
die in eine Familiengeschichte eingebettet ist. Die Ehe von Sara und Tobias ist
das Ende eines dramatischen Geschehens. Die Geschichte hat märchenhafte Züge
und geht auch gut aus.
Es ist eine
Beispielerzählung, aber kein historischer Bericht. Absicht dieser Erzählung ist
die religiöse und sittliche Unterweisung. Wie soll sich ein Angehöriger des
Gottesvolkes in der Diaspora, in der Zerstreuung, verhalten, ohne den Schutz
eines eigenen Staates, der Willkür fremder Herrscher ausgeliefert und durch die
Berührung mit der heidnischen Umwelt gefährdet.
Auf die
Frage, wie sich in dieser Lage der einzelne Gläubige verhalten soll, um die
Hilfe seines Gottes zu erlangen, antwortet das Buch Tobias, indem es am
Beispiel eines frommen Israeliten die Voraussetzungen für Gottes Eingreifen
darstellt. Jeder Israelit kann in der Fremde die rettende Hilfe seines Gottes
erfahren, wenn er in Treue zu diesem Gott und den Überlieferungen der Vorfahren
steht. Das Buch Tobias ist also eine Lehrschrift, gekleidet in das Gewand einer
geschichtlichen Erzählung.
Tobias und
Sara sind beide Einzelkinder und leben weit voneinander weg und wissen nichts
voneinander.
Tobias
Eltern leben im Exil in Ninive unter Heiden und sind verarmt. Tobias ist ihr
einziges Kind. Der Vater von Tobias – er heißt Tobit - hat sein ganzes Vermögen
verloren. Zudem ist er blind geworden.
Als er einen
Glaubensgenossen gegen den Befehl des ungläubigen Königs begraben hat, fällt
ihm Vogel Kot in die Augen, dadurch erblindet er.
Seine Frau
Hanna ernährt die Familie und streitet gelegentlich mit ihrem Mann, wenn dieser
hart und ungerecht mit ihr umgeht.
Um die Not
zu lindern, schicken sie ihren einzigen Sohn Tobias in die Fremde, um Geld
zurückzuholen, das sein Vater in guten Tagen einem Verwandten geliehen hat. Die
Mutter möchte ihren Sohn lieber zu Hause behalten, aber der Vater drängt ihn
zur Reise, denn es ist die einzige Hoffnung, um aus der Not herauszukommen.
Für den
frommen Juden Tobit ist es wichtig, dass sein Sohn eine Frau aus
seinem
eigenen Volk und besser noch: aus seiner eigenen Verwandtschaft findet. So kann
der Glaube und die Familie recht bewahrt und erhalten werden. Der Vater schärft
dem Sohn vor der Abreise mehrfach ein, nur eine Frau aus dem eigenen Stamm zu
heiraten.
Auch Sara
ist ein Einzelkind. Auch sie soll einen Mann nur aus ihrer Verwandtschaft
heiraten. Sie wird jedoch von einem bösen Dämon bedroht, der jedes Mal den
Mann, der sie heiraten will, in der Hochzeitsnacht tötet, während Sara selber
unangetastet bleibt.
Das ist
bereits siebenmal geschehen. So hat die
Familie fast schon die Hoffnung aufgegeben, für Sara noch einen Mann zu
finden. Da die Zukunft einzig und allein in der Fortführung der Familie und
damit im Fortbestand des jüdischen Volkes und seiner Glaubensüberlieferungen
gesehen wird, hängt alles daran, ob es noch eine Möglichkeit gibt, Sara von
diesem Dämon zu befreien, der das Weiterbestehen der Familie verhindert.
Dass Tobias
am Ende der Geschichte mit einer Ehefrau zurückkommt, war ursprünglich nicht
geplant. Die Schicksale, die
kunstvoll miteinander verschränkt sind, werden am Wendepunkt der Erzählung
deutlich: Tobias Vater Tobit und Sara schicken beide ein bitteres Klagegebet
zum Himmel, beide Gebete kommen gleichzeitig vor Gottes Majestät. Durch die
Vermittlung des Engels Rafael werden nun die Fäden für ein glückliches Ende im
Himmel geknüpft:
Die Reise
führt dazu, dass der Geldschatz zurückgegeben wird, dass Tobias Vater geheilt
und die für Tobias bestimmte Braut Sara vom Dämon befreit wird.
Auf seinem
Reiseweg wird Tobias von einem großen Fisch bedroht, den er aus dem Fluss
Tigris ziehen will.
In diesem
Fisch findet er mit Hilfe seines Begleiters, der sich am Ende als der Engel
Rafael offenbart, die Heilmittel für seinen Vater und für die Verbannung des
Dämons.
Tobias wird
vom Engel sicher über riesige Entfernungen zur Familie seines Verwandten Raguel
geführt, der ihn gastfreundlich aufnimmt.
Bald stellt
sich heraus, dass Tobias aus dem gleichen jüdischen Stamm ist, und er soll Sara
heiraten. Aber die Angst bleibt, dass der Dämon auch diesmal den Bräutigam
töten könnte.
Die Ängste,
die hier sichtbar werden, sind aus manchen Märchen bekannt: Ein Mann muss viele
Hindernisse überwinden, um die ersehnte Frau zu bekommen. Das Hindernis ist
hier der Dämon, der Aschmodai heißt und regelmäßig die Männer tötet; der Frau
geschieht nichts.
Es waren
sieben Männer, die der Dämon getötet hat.
Sieben ist
eine symbolische Zahl, in der Bibel bedeutet sie die Zahl der Vollständigkeit
(sieben Schöpfungstage etc.). Ein achtes Mal soll und wird es nicht geben.
Die
volkstümliche Angst vor der „männermordenden“ Frau findet sich in der
hebräischen Bibel nur hier und in der Geschichte von Juda und Tamar (Genesis
38).
Hinter
dieser Angst vor der Frau, die den Mann umbringt, wenn er am wehrlosesten ist,
steckte eine tiefe Angst vor der Sexualität.
Darum wurden
solche Vorstellungen vor allem in der Hochzeitsnacht angesiedelt, wie es im
Tobiasbuch der Fall ist.
Darin
spiegelt sich eine (männliche) Angst vor der Überlegenheit der Frau in Sachen
Liebe und Sexualität, vielleicht auch die geheime Angst des Mannes vor der
Zeugung, denn mit der Geburt des Sohnes tritt er in das zweite Glied zurück.
Eine Magd in
Saras Familie will diese „Männermorde“ Sara zur Last legen, wohingegen der
biblische Text ausdrücklich Sara als unschuldig darstellt und die Schuld an
diesen Vorgängen einem Dämon zuschreibt.
Unerklärliche
Krankheiten, schreckliche Vorgänge und schwer zu erklärende Unglücksfälle
wurden in der Antike häufig auf Dämonen zurückgeführt.
Wie nun Sara
und Tobias mit diesem „Dämon“ fertig werden, zeigt die Mitte der Geschichte,
die Hochzeitsnacht.
Vorher wird
die Hochzeit im Haus der Braut gefeiert und es wird ein Ehevertrag aufgesetzt.
Hier findet
sich der älteste Beleg eines schriftlichen Ehevertrags im AT.
Edna, die
Mutter Saras, bringt das Schreibzeug herein, der Vater Raguël setzt den Vertrag
auf. Damit ist die Ehe rechtlich geschlossen. Die junge Frau Sara wird nicht
gefragt. Wie in patriarchalischen Gesellschaften üblich, wird die Ehe durch die
Eltern arrangiert. Normalerweise tun dies die Eltern des Bräutigams, in diesem
Fall sind es Saras Eltern, da Tobias schon erwachsen ist und seine Eltern im
weit entfernten Ninive wohnen.
Von der
Hochzeitsnacht hängt es nun ab, ob Tobias mit dem Leben davon kommt und ob die
Erzählung überhaupt weiter geht.
Durch
umsichtiges und frommes Handeln gelingt es dem jungen Ehemann mit Hilfe von
Herz und Leber aus dem getöteten Fisch, den Dämon zu vertreiben.
Tobias
verbrennt die Bestandteile des Fisches, in denen die Lebenskräfte angesiedelt
sind, auf dem Räucheraltärchen und vertreibt damit den Dämon in das oberste
Ägypten.
Die magisch
anmutende Räucherszene wird begleitet von Gebeten des Tobias, der sich seiner
Frau nicht in blinder Gier, sondern in Achtung und Gottesfurcht nähert.
Über die,
welche Gott fürchten, hat der Dämon keine Gewalt mehr.
Erst nachdem
der Dämon vertrieben und die entsprechenden Gebete gesprochen sind, geht Tobias
zu seiner Braut.
Diese
Hochzeitsnacht von Tobias und Sara hat eine beträchtliche Wirkungsgeschichte in
der christlichen Theologie entfaltet.
Sie wurde
unter der Bezeichnung „Tobiasnächte“ abgehandelt und geht auf eine Auslegung
des Kirchenlehrers Hieronymus und seiner lateinischen Bibelübersetzung zurück.
Hieronymus verlängert das, was in der biblischen Erzählung sich in einer Nacht
ereignet, auf drei Nächte. Die christlichen Eheleute werden durch das ganze
Mittelalter hindurch zur Sittsamkeit und zu einem keuschen Beginn ihrer Ehe
ermahnt nach dem Beispiel des jungen Tobias.
Wie Tobias
soll ein junges Paar erst den Segen Gottes anrufen, bevor sie miteinander
schlafen. Hinter diesen Ermahnungen stand häufig auch eine große
Leibfeindlichkeit, wie sie in der biblischen Erzählung nicht zu finden ist.
In unserer
Geschichte finden am Morgen die Eltern Saras die beiden schlafend und am Leben.
Sie freuen sich, dass dem jungen Mann nichts passiert ist, und der Vater Saras
schaufelt das Grab wieder zu, das er vorsichtshalber bereits in der Nacht hat
ausheben lassen.
Die Eltern
freuen sich, dass nun ein glückliches Eheleben auf die beiden Einzelkinder
wartet und sie die Familie und Tradition der beiden Familien fortsetzen können.
Anders als
in der Erzählung von Isaak und Rebekka, die unserer Geschichte als Vorbild
gedient hat, wird Sara nicht gefragt, ob sie Tobias heiraten will.
Außer dem
Gebet am Anfang des Buches spricht sie nur ein einziges Wort, nämlich das
„Amen“ am Ende des Gebetes in der Hochzeitsnacht.
Tobias
spricht das Gebet allein, er beginnt darin mit der Schöpfungsgeschichte von
Adam und Eva als dem vorbildlichen Paar, und erbittet den Segen für sich und
seine Frau bis ins hohe Alter. Sara ist die passivste aller Frauen im
Tobiasbuch, ein Objekt, über das die Männer, der Vater und Tobias, verfügen.
Trotzdem ist
auch von Liebe die Rede: allerdings wiederum einseitig.
Als der
Engel Rafael am Tigris dem jungen Tobias von seiner Verwandten Sara erzählt,
heißt es von Tobias: „Er begann sie zu lieben, und sein Herz hängte sich an
sie.“
Wir erfahren
also von der Zuneigung des Tobias,
bevor er Sara zum ersten Mal gesehen hat, ob Sara diese Liebe erwidert,
interessiert den Erzähler nicht. Es wird als selbstverständlich vorausgesetzt,
dass sie dem Verwandten, der sie aus ihrer Notlage und vom Dämon befreit hat,
die Achtung und Liebe einer Ehefrau entgegen bringt und ihren Ehemann in das
entfernte Ninive begleiten wird.
Die
Geschichte ist somit ganz aus der Perspektive von Männern erzählt, die aktiv
sind, einschließlich des Engels Rafael, der als junger Mann erscheint (Engel
sind in der Bibel immer männlich) und der heimlich die Fäden zieht.
Die
himmlische Welt, die damit den Gang der Dinge auf Erden lenkt, wirkt hier zum
Segen des jungen Paares, das am Schluss in der Lage ist, die Familiengeschichte
fortzuführen und damit auch den Glauben Israels weiter zu überliefern.
Was kann uns
diese Geschichte heute noch sagen?
Ich möchte
nur ein wenig skizzieren,
andeuten: Achtung von Mann und Frau voreinander. Kein vorschnelles Urteil
fällen wie die Magd in der Geschichte. Ein Dämon übt Gewalt aus. Auch heute
noch Gewalt in der Welt gegen Männer, Frauen und Kinder, die durchaus etwas „Dämonisches“ an sich haben kann. Gebet vertreibt „die Dämonen“.
Aufforderung zum Gebet und zum gerechten Handeln, immer wieder.
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