im Rahmen dieser Sommer-Predigtreihe haben Sie nun schon einige Aspekte zum Thema Liebe hören können.
Heute möchte ich Sie gerne
mitnehmen auf einen Weg zu Menschen, die den Glauben an die Liebe und an Gott
verloren haben, weil ihnen furchtbares Leid geschah.
Vom Nahen Osten hören wir
grausige Berichte von Massakern an Jesiden und Kurden, Christen und Muslimen.
Gaza versank in Trümmern,
israelische Mütter beklagen ebenfalls ihre Kinder usw.
In Afrika und vielen anderen
Regionen der Erde ist es nicht anders.
…. Ebola, 12 Bürgerkriege (!)
allein in Afrika derzeit … und …
Wie denkt wohl ein Mädchen in
Indien, das vergewaltigt wurde, schwanger wurde - und- damit niemand im Dorf solche Schande
sehen sollte, weit entfernt auf einer christlichen Missionsstation ihr Kind zur
Welt brachte??? –
Es dann dort ließ, dem Versprechen der Christen dort trauend,
dass diese für ein geordnetes Aufwachsen ihrer kleinen Tochter sorgen würden.
Wie hat es das Herz einer
Witwe in Kambodscha zerrissen, als sie das letzte ihrer Kinder, welche die
Häscher der roten Khmer nicht getötet hatten, eine Tochter, ins Ausland gibt, als sich die
Möglichkeit dazu bietet – nicht wissend, was aus ihr wird und wer sie selbst dann
im Alter begleiten wird???
Zwei Kinderschicksale – und
das ihrer Mütter - stelle ich heute stellvertretend - für das unzählige Leid
das über Menschen kam und - leider immer und immer wieder kommt, - in die
Mitte.
Ich erinnere gleichzeitig
daran, dass dies leider „schon immer“ so war, wo die Ungerechtigkeit
triumphierte.
Das war nicht anders vor über
3000 Jahren im Nil-Delta, als einem hebräischen Sklavenpaar ein Sohn geboren
wurde.
Zu der Zeit galt der Befehl
des Pharo, - der sich vor einer Überfremdung seines Landes fürchtete- und deshalb den Hebammen der hebräischen
Frauen befohlen hatte – alle Büblein gleich nach der Geburt umzubringen.
Die Mädchen, ja, die konnte er als Sklavinnen für alles und
jedes gebrauchen, denn das waren ja keine künftigen Soldaten des Feindes.
Mit List konnte eine junge
Mutter ihr Büblein 3 Monate im Haus verstecken, aber dann blieb nur noch ein
Versteck vor den Häschern des Pharao - weit draußen im Schilfgürtel des
Nilstromes.
Miriam, die Schwester, sollte auf ihr kleines. Brüderlein
aufpassen.
Einige Zeit ging das gut, bis
– ausgerechnet eine Tochter des Pharao mit ihren Gespielinnen – genau dorthin
zum Baden kam.
War das Zufall?
Wir Christen wissen darum,
dass es keine Zufälle gibt, sondern dass hinter allem scheinbar zufälligen,
immer noch die Hand Gottes wirkt.
Davon wusste das junge
Sklavenpaar damals aber nichts.
Sie erlebten nur, dass ihnen
ihr Kind weggenommen wurde, gleich nach der Stillphase – sie hofften vielleicht
noch, dass es ihrem Kind dort besser gehe, als bei ihnen.
Sogar einen neuen Namen gab
die Prinzessin dem Kind und erklärte es damit zu ihrem eigenen Kind: „Moses“-
der aus dem Wasser gezogene“
Auch eine Art
Leihmutter-Geschäft.
Anders als in Thailand
derzeit – aber für Eltern ist es
immer schlimm - ein Kind hergeben zu müssen!!
Wo bleibt da die Liebe?
Das fragen sich auch bei uns
Menschen, denen der Tod Kinder nimmt, sei es mit Ansage durch eine schlimme
Krankheit – oder von einem Moment auf den anderen- durch einen Unfall oder gar Mord.
Liebe ist das Band, das eine
Familie zusammenhält. Eltern nehmen viele Opfer und Entbehrung auf sich um
ihren Kindern eine geordnete Zukunft zu ermöglichen.
Liebe - ist das Band mit dem
Eltern und Kinder verbunden sind und sie zur Familie werden lassen.
Eine Liebe, die nicht
berechnet, was kostet mich das und was bringt mir das, - sondern die sich
einfach verströmt im Miteinander der Tage, bis die Zeit kommt, da die Kinder
das Haus verlassen.
Und auch dann bleibt dieses
Band erhalten, wenn es nicht von einer Seite überstrapaziert wird.
Was aber bleibt von dieser
Liebe – wenn der Tod dieses Band brutal abschneidet?
Welchen Sinn hatte dann diese
Liebe?
Wenn eine grausame Krankheit,
- eine schwere Behinderung- oder
gar der Tod - alles an Lebenshoffnungen über den Haufen wirft, - was bleibt
dann?
Ich kann nur von mir selbst
berichten, - wie mir es ging, als ich und die Meinen diesen Kelch trinken
mussten.
Ein Verkehrsunfall riss eines
unserer Kinder von einem Moment auf den anderen aus unserer Mitte.
Der Schock zunächst war fast
noch eine Gnade – das alles gar nicht bis in die Tiefe zu realisieren, was sich
da verändert.
Aber dann kamen große Zeiten
der Einsamkeiten.
Die Last der Trauer ist so
schwer, - da kann man sich nicht mal als Ehepaar gegenseitig diese Last
abnehmen. Viele Ehen scheitern gerade in solchen Zeiten. Auch den anderen
Kindern kann man da nicht genug Begleiter sein.
„O Gott, wie kannst Du das
zulassen“ – so schrie ich wie alle Todwunden.
Da ist nichts mehr wie es war
– auch nicht die Liebe – da ist nur noch „Black-out“ – wie ein Netz ohne Strom.
Wir haben nur noch funktioniert, - mechanisch, ohne Antrieb.
Ich meinerseits war innerlich
ganz leer. Ich konnte nichts mehr tun.
Und dann habe ich und die
Meinen dies Wunder erlebt: Das Mit-leiden und Mit-Tragen unserer Verwandten,
vieler Freundinnen und Freunde - und ja, der Gemeinde in der wir gelebt hatten.
Seither empfinde ich dies Geschenk, das Gott uns mit
„Gemeinde“ macht, als eine riesige
Kostbarkeit.
Wir waren nicht allein
gelassen worden – das haben wir aber erst so nach und nach gemerkt.
Und die hilfreichste Beileidsbezeugung war uns nicht mal auf
irgendeiner der vielen Kondolenz-Karten begegnet, obwohl da auch viel Liebe
drin war, - sondern im Kochtopf einer beherzten Nachbarin, die klingelte und
nur sagte: „ich weiß nicht was ich sagen soll, aber ich weiß dass ihr
jetzt eine Nudelsuppe braucht!“
In dieser Zeit ist uns viel Liebe begegnet – durch
viele und vielerlei Menschen – über lange Zeit hinweg.
Ja, es hat Zeit gebraucht –
lange Zeit – bis ich von der Anklage an Gott weiterkam - und an diese
Gesellschaft,- die dem Verkehr auf der Straße so viele Opfer überlässt.
Zeit- ist ein Bestandteil meiner Heilung
geworden – Zeit, in der ich neu entdeckt hatte – ich war ja gar nicht von Gott
verlassen gewesen, sondern von Recht und Ordnung auf der Straße.
Wie eine Morgendämmerung ist
mir die Liebe Gottes so langsam wieder neu aufgegangen. Auch weiterhin konnte ich nur sehr verhalten
oder unter Tränen die Lieder mitsingen, die Dank und Freude so überschwänglich ausdrücken.
Und dann habe ich plötzlich
gemerkt, dass jeder Tag, der vergeht – uns nicht weiter auseinander bringt –
meinen Sohn Christoph und mich – sondern dass jeder Tag der vergeht uns näher
aufeinander zuführt – dem Reich Gottes entgegen.
Das war mir ein ganz großer
Trost – und ist es bis heute – wenn ich mir so vorstelle: - hätte er jetzt wohl
auch eine Familie, wenn er noch bei uns lebte?
Ich habe gemerkt: die Liebe
kann ich nicht einspannen und gebrauchen oder erzwingen, wie ich will.
Aber von vielen Seiten her
kam Liebe zu mir – durch ganz unterschiedliche Menschen, auch solche, von denen
ich es nie erwartet hätte.
Nur der „Frömmste und Bibelfesteste“ damals – wusste nichts
anderes als mich zu fragen, ob mein Sohn (mit seinen 6 Jahren) sich wohl schon
zu Christus bekehrt gehabt hätte und damit gerettet wäre - oder „verloren“ sei?
„Herr, vergib ihnen – denn
sie wissen nicht, was sie da
reden!“
Gerade aus der Bibel habe ich
meinen größten Trost gezogen,
gerade aus den Zusagen Gottes - seiner unaufhörlichen Liebe
zu uns!
Der allen um ihr
(Lebens-)Recht gebrachten zu ihrem Recht verhilft.
Nicht wir tun das
Entscheidende! Was unser Gott geschaffen hat – das wird ER auch
erhalten!
Darin habe ich meinen ganz
tiefen Frieden gefunden – in der Liebe Gottes zu seiner ganzen Welt.
Wer könnte uns scheiden von
der Liebe Gottes ….?
Nichts und niemand.
Nicht einmal der Tod
So brutal er auch an uns
kommen kann.
Ich habe erlebt, wie alle
menschliche Liebe – erst aus der Liebe Gottes zu uns allen - seine Kraft bezieht!
Als ich lieb-und leblos war,
habe ich erlebt, geliebt zu werden, von vielen, - bis neue Liebe in mir wachsen
konnte.
Das will ich zu Gottes Ehre
heute bekennen – ja – seine Liebe zu uns ist stärker als der Tod.
Jetzt begreife ich die
Wahrheit dieser Aussage!
Ich wundere mich – dass ich so fröhlich bin! –Getrost bin.
Gott sei Dank!!!
Und ich bleibe dankbar den
Vielen gegenüber, die uns damals durchgetragen und begleitet haben und uns
Liebe zugeströmt haben, auch wenn wir zunächst kaum etwas davon aufnehmen
konnten.
Ein Kind – so brutal
entrissen zu bekommen – dieses Los teile ich mit viel zu vielen Menschen – mit
Millionen Menschen, wenn ich so auf den Weg der Menschheit zurückschaue. Ich
bin nicht der Einzige, dem es so erging.
Aber auch diese Erkenntnis (!)
wurde mir wie eine schützende Gemeinschaft, die mich mit einschließt und
umfängt.
Es gibt Menschen die mich
verstehen.
Die sich gegenseitig, trotz
aller Wunden ihrer Seele, mit Liebe und Achtung begegnen.
So sind meine Gedanken jetzt
gerade oft bei den Menschen in Nahost, bei allen (!) denen Unrecht und Leid
geschah.
Ich bringe sie im Gebet vor
unseren himmlischen Vater und bin gewiss, dass er kein einziges Menschenleben,
das um sein irdisches Recht gebracht wurde – vergisst. Gott bringt alle zu
ihrem Recht!
Und ich will mit meinem
Verhalten darauf achten, dass ich nichts unterstütze, das die Gewalttätigen und
Rechtsbrecher, wo auch immer, fördern würde.
Im Gegenteil – ich will meine
Stimme und mehr für die Rechtlosen einbringen. Und meine Tat.
Als der Prophet Jeremia
berufen wurde in sein Amt – erschrak er zunächst: „ich bin zu jung, zu gering,
ich kann zu wenig ….“(Jer.1)
Aber dann berichtet er
später, wie Gott ihn an der Hand nahm,
wie die Furcht ihre Macht verlor – als er
gemerkt hatte: Das Entscheidende tut immer Gott selbst.
Nicht er, der kleine Prophet, musste die Welt retten!
Gott verlangte nur von ihm –
genau hin zu schauen – was er da sieht.
Und Jeremia hat plötzlich
nicht mehr nur das Negative gesehen, nicht mehr nur die schlimmen Nachrichten
gehört, nicht mehr nur gejammert, wie schlecht diese Welt doch ist.
Nein – er hat beides gesehen
– sowohl das Bodenlos Böse dieser Welt – aber auch, wie immer wieder
neues Leben aufblüht – unzerstörbar.
Die Wahrheit und das Leben
und die Liebe – sie sind nicht tot zu kriegen!
Jeremia beschreibt uns das
anhand eines knospenden Zweiges – wie aus „scheinbar“ totem Holz neues Leben
erblüht.
Und er vertraut der Zusage
des lebendigen Gottes, dass dieser selbst darüber wachen wird – das dies in
Erfüllung geht.
Auch abgefrorene Blütenzweige
können neu ausschlagen und Frucht bringen!
Der indische Säugling, von
dem ich eingangs sprach, den seine Mutter loslassen musste und im Unbekannten
verschwand – wurde nach Deutschland adoptiert – und lebt heute als Mutter einer
glücklichen Familie im Ruhrgebiet.
Die Witwe in Kambodscha – die
ihre Tochter loslassen musste, darf heute erleben, wie ihre Tochter, heute
ebenfalls mit einer glücklichen Familie in Deutschland gesegnet – durch ihrer
Hände Arbeit – und der Hilfe so mancher, die davon wissen und mithelfen - der
Mutter in Kambodscha ein würdiges Alter in betreutem Wohnen in einer Familie
dort ermöglicht hat.
Und selbst der kleine Mose
von einst – ist nach vielem Irren und Wirren, zum großen Segen seines Volkes
geworden, dann, als er Gott selbst das letzte Wort überließ.
Das sind für mich
–aufknospende Zweige der Liebe, die durch Gott in die Welt kam, von
Menschen aufgenommen wurde und nun diese Erde als ein Netzwerk der Liebe
umspannen.
Erwachende Zweige des Lebens!
Wegweiser der Treue Gottes!
Liebe gebärende Wunder des
Herrn!
Ich weiß aber auch um das
namenlose Leid, das auch heute geschieht – und um die Tränen so vieler, die am
Leben und an der Liebe verzagen – weil sie nichts aufblühen sehen.
Und dennoch!
Einer dieser Vielen ist Fritz
Rosenthal – ein Urmünchner, dem die bayrische Lebensart sehr gefiel. Aber 1933
gefiel er manchem seiner Zeitgenossen dort gar nicht mehr und sie spielten ihm
übelst mit.
Das erkannte er als Zeichen der Zeit - als aufblühen eines
giftigen Strauches.
Daraufhin hat er alles
zurückgelassen und ist nach Jerusalem gezogen, in die Heimat seiner Vorfahren.
Von dort aus hat er die
Schrecken des 2. Weltkrieges miterlebt.
1942 notiert er den Satz:
„Muss
man nicht verrückt sein, in dieser Welt an Frieden zu glauben?“
Ja, er war ver-rückt, ab-gerückt,
weg-gerückt von der Meinung vieler, das es nur noch Mord und Totschlag gibt. (meschugge)
Er gab sich selbst einen
neuen Namen, als Lebensprogramm:
„ Friede, Sohn der Freiheit“ =
Schalom Ben Chorin
Und hat seine Generation an das Erlebnis des Jeremia erinnert:
„Ich
sehe bereits den Frieden aufgehen“