Im Sommer 2014 wurde in fast allen evangelischen Kirchen auf dem Stadtgebiet Nürtingen über die Liebe gepredigt - genauer: über Liebesgeschichten aus der Bibel.
Hier sind nun beinahe alle diese Predigten gesammelt zum Nachlesen. Außerdem gibts dazwischen immer wieder Bilder, Videos und Musik zum Thema.
Am Ende dieser Seite einfach auf "ältere Beiträge" klicken - dort gehts weiter.
Und nun viel Vergnügen beim Lesen, Schauen und Hören!
Achja: Wenn Sie mehr von uns Prediger_innen hören wollen: über diesen Link finden Sie uns:
http://www.ev-kirchenbezirk-nuertingen.de/kirchengemeinden/
Mittwoch, 24. September 2014
Freitag, 19. September 2014
Donnerstag, 18. September 2014
Hans-Joachim Baumann: Gott zwischen dir und mir. David und Jonathan (1. Samuel 18ff) (Anmerkung: Der kleine Schnörkel ist die Abkürzung des griechischen Wortes THEOS, das GOTT bedeutet)
Die andere Predigt zu David und Jonathan ist hier: http://nuertinger-sommerpredigtreihe.blogspot.de/2014/08/susanna-worbes-mehr-als-eine.html
Dienstag, 16. September 2014
Montag, 15. September 2014
Karl-Heinz Graf: Verbotene Liebe? Jesus und Maria Magdalena
Liebe Gemeinde,
heute soll es n der Sommerpredigtreihe
„Liebesgeschichten“ um eine Beziehung gehen, die wie keine andere im Neuen Testament
seit jeher zu geheimnisvollen Spekulationen und raunenden Vermutungen Anlass
gegeben hat: Es geht um die Beziehung zwischen Maria Magdalena und
Jesus.
Wer war diese Frau, die in den Evangelien im Neuen Testament
mehrmals erwähnt wird und ganz offensichtlich zum engeren Umfeld um Jesus
gehört hat?
War Maria vielleicht nicht nur eine von vielen
Jüngerinnen, sondern Jesu besondere Vertraute, vielleicht sogar die Geliebte
Jesu? Hatte Jesus ein Verhältnis mit einer ehemaligen Prostituierten?
War Maria Magdalena womöglich eine von den männlichen Aposteln später
verdrängte Apostelin, die Jesus als Leiterin der Jüngerschaft eingesetzt
hatte?
Oder war sie gar die Frau von Jesus und die Mutter von
gemeinsamen Kindern mit Jesus? Der Film „Sakrileg“, der gerade in den Kinos
läuft nach dem Buch „Der Da Vinci-Code“ treibt die Vermutungen sogar so weit
auf die Spitze, dass darin nahe gelegt wird, über die ganze
Kirchengeschichte hinweg seien die leiblichen Nachfahren Jesu von der Kirche
totgeschwiegen und verfolgt worden, um auf keinen Fall die Göttlichkeit Jesu zu
gefährden.
Viele solcher sensationellen und abenteuerlichen Vermutungen
haben zurzeit Konjunktur im Kielwasser dieses Bestsellers von Dan Brown. Ich
habe allein 18 neue deutschsprachige Romane und Populärsachbücher gezählt, die
zwischen 2004 und 2006 zum Thema Jesus und Maria Magdalena erschienen sind.
Warum bietet gerade die Beziehung zwischen Jesus und
Maria Magdalena so viel Anlass für geheimnisumwitterte Verschwörungstheorien?
Ich möchte versuchen, mich mit ihnen auf eine Spurensuche
zu begeben, die uns helfen soll, das Wichtige vom Unwichtigen und das
Wahrscheinliche vom Unwahrscheinlichen zu trennen.
Eine erste wichtige Wurzel für die Spekulationen um
Maria Magdalena ist die Gleichsetzung von Maria Magdalena mit der
„großen Sünderin“. Im Lukasevangelium wird von einer Frau berichtet, die Jesu
Füße mit ihren Tränen benetzt und seine Füße salbt - und dass die Anwesenden
sich darüber ärgern, weil sie als stadtbekannte Sünderin gilt. Man vermutet, dass
diese „Sünderin“ vielleicht eine Ehebrecherin oder eine Prostituierte
gewesen ist.
Es gibt allerdings in der Bibel keinen Namen von
dieser Frau. Und es gibt erst recht keinerlei
Hinweis, dass diese Frau und Maria Magdalena ein und dieselbe Person
gewesen wäre.
Erst relativ spät - im Jahr 519 - hatte Papst Gregor der
Erste in einer Predigt Maria von Magdala mit dieser anonymen Prostituierten gleichgesetzt
- und seitdem hielt sich diese legendäre Verbindung hartnäckig bis heute,
obwohl es dafür keinerlei biblischen Beleg gibt. Diese legendäre Sicht von
Maria als ehemaliger Dirne hat in gewisser Weise die Beziehung zwischen Jesus
und Maria Magdalena erotisch aufgeladen. Jesus und eine Liebesverhältnis
- das war spannend für alle, denen sowieso die oft enge moralistische Haltung
der Kirche ein Dorn im Auge war. Bestärkt werden konnte das durch eine späte
gnostische Schrift, das so genannten Philippus-Evangelium von etwa 150 nach
Christus: Dort wird erzählt, dass Jesus Maria wiederholt auf den Mund geküsst habe
und sie als seine Gefährtin bezeichnet wurde. Geprägt ist diese spätchristliche
Schrift von einer deutlichen sektiererischen Kritik am Hauptkurs der damaligen
Christenheit - und da hat man dann eben auch
das traditionelle Verständnis von Jesus kräftig umgedeutet!
Jesus und Maria Magdalena als seine Geliebte! Eine solche Vorstellung
von einer Liebesbeziehung Jesu mit einer Frau, noch dazu mit einer „gefallenen“
Frau, war für die etablierte Kirche immer ein Provokation ersten Ranges.
Hier konnte sich alle Kirchenkritik, alle
Kritik am Männerklerus und der Leibfeindlichkeit der Kirche besonders gut
anlagern und ausdrücken. Und so ist es bis heute geblieben! Die behauptete verbotene
Liebe zwischen Maria Magdalena und Jesus wurde zum Symbol für den Verdacht,
dass die Macht und die Lehre der Kirche die Wahrheit immer wieder
unterdrückt und verbogen habe.
Was aber wissen wir nun eigentlich wirklich über
diese Maria?
Die ältesten und ersten Quellen sind die Evangelien.
Aus den Stellen, wo Maria namentlich erwähnt wird, können wir entnehmen: Maria stammte aus Magdala beim See Genezareth
- richtig übersetzt ist ihr Name also eigentlich
„Maria aus Magdala“. Im Lukasevangelium wird erwähnt, dass
ihr durch Jesus sieben Dämonen ausgetrieben wurden. Zusammen mit anderen
von Jesus geheilten Frauen hat sie Jesus und die 12 Jünger begleitet und
mit ihrem Besitz für den Unterhalt Jesu gesorgt. Dabei wird Maria aber
in keiner Weise den anderen namentlich genannten Frauen gegenüber - Johanna und
Susanna - irgendwie besonders herausgehoben. Sowohl Markus wie Lukas berichten,
dass Maria zusammen mit anderen Frauen bei der Kreuzigung Jesu zuschaute
und die Frauen auch mitverfolgten, wohin sein Leichnam gelegt wurde. Maria aus
Magdala war dann zusammen mit zwei anderen Frauen die erste Osterzeugin,
nachdem sie frühmorgens zum Grab gingen, um den toten Jesus zu salben.
Im Johannesevangelium Kapitel 20 wird dann
ausführlicher die Begegnung von Maria mit dem auferstandenen Jesus geschildert:
Das leere Grab lässt die tief traurige Maria von Magdala zuerst - ganz natürlich
- daran denken, dass der Leichnam Jesu irgendwie weggetragen worden sei. Sie
erkennt den Auferstandenen nicht, hält ihn für den Gärtner und erst als Jesus
sie beim Namen ruft, begreift sie, wer vor ihr steht. Als sie ihn erkennt, ruft
sie voll Freude aus: „Rabbuni“ - das heißt übersetzt: „Mein Lehrer!“. Diese
Bezeichnung beschreibt im Grunde das Verhältnis Marias zu Jesus: Er ist
der von ihr hoch verehrte, vertraute Lehrer, der sie geheilt hat.
Dafür war sie ihm dankbar und sie hat ihren Dank als
Fürsorge für Jesus zurückzugeben versucht. Entgegen aller damaligen Hintansetzung
der Frauen ließ Jesus sie zusammen mit anderen Frauen seine Schülerinnen sein,
die zusammen mit den männlichen Jüngern ihm nachfolgten.
Dass Maria und Jesus ein durchaus herzliches
Verhältnis zueinander hatten, könnte man dem Hinweis entnehmen, dass sie ihn nach
dem Bericht des Johannesevangelium gleich umarmen wollte, als sie ihn dann
am Ostermorgen erkannte. Es mag wohl auch möglich sein, dass sie für
diesen Mann als Frau liebevolle Gefühle empfunden hat. Und es ist nicht
einmal völlig auszuschließen, dass auch Jesus zu ihr eine besondere Zuneigung
gehabt hat. Immerhin redet das Johannesevangelium auch von dem Jünger, den er besonders
lieb gehabt hatte und gibt damit der Möglichkeit Raum, dass es auch bei
dem Menschen Jesus Gefühle schwächerer und stärkerer persönlicher Zuneigung
gab. Aber - wir wissen es nicht!
Nichts aber deutet darauf hin, dass Maria von Magdala
zu Jesus eine intime Liebesbeziehung gehabt hätte.
Jesu Worte zur Ehe, die in allen Evangelien gleich lautend
überliefert sind, zeigen, dass er das Gebot: „Du sollst nicht
ehebrechen!“ sehr ernst genommen hat. „Jeder, der eine Ehefrau
ansieht, um sie zu begehren, hat ihr gegenüber in seinem Herzen schon Ehebruch
begangen“, sagt Jesus radikal in der Bergpredigt. Und das
schließt nach damaligem Verständnis natürlich selbstverständlich jede außereheliche
intime Beziehung sowieso aus. Dass Jesus diesem hohen Ehe-Ideal mit
einer intimen Liebesbeziehung mit Maria Magdalena öffentlich völlig
selbst widersprochen hätte, das ist einfach ganz unwahrscheinlich und es
finden sich dafür in der biblischen Überlieferung tatsächlich auch keinerlei
Spuren.
Ist es denn dann überhaupt gar keine Liebesgeschichte
- diese Beziehung zwischen Jesus und Maria von Magdala?
Es kommt darauf an, was man unter Liebe versteht!
Dass Liebe sehr viel mehr umfasst, als die erotische
Liebe, das macht gerade das biblische Zeugnis klar.
Gerade die griechisch Sprache, in der das Neue Testament
verfasst ist, hat für die Liebe nicht nur ein Wort, sondern mehrere
Worte. Wenn von der väterlich-mütterlichen Liebe Gottes geredet wird,
dann geht es um die fürsorgende, elterliche Liebe, die agape. Die Nächstenliebe,
von der Jesus redet und erst recht die Feindesliebe hat nichts mit Sympathie zu
tun, sondern mit der christlichen Verantwortung, den anderen als Geschöpf
Gottes zu achten. Und wenn Jesus insbesondere seine Jünger und Jüngerinnen
aufruft: „Liebet einander, wie ich euch geliebt habe!“, dann geht
es um die Hingabe und Treue, die Jesus vorgelebt hat und mit der allerengste Freunde
füreinander einstehen. Wenn der auferstandene Christus dann am Schluss des
Johannesevangeliums Petrus dreimal fragt: „Hast du mich lieb?“, dann
geht es da um den vertrauenden Glauben, der in Jesus das
freundliche Angesicht Gottes erkannt hat.
Es gibt eben nicht nur die Liebe als
leidenschaftliches erotisches Gefühl zwischen zwei Verliebten, sondern es gibt
auch die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind, die tiefe Zuneigung unter Freunden
und die barmherzige Liebe Gottes zu den Menschen.
Von dieser Erkenntnis aus - meine ich - ist die
Geschichte von Maria von Magdala und Jesus tatsächlich eine ganz eigene
Liebesgeschichte! Auch wenn das menschliche Sensationsbedürfnis durch Marias
Liebesgeschichte zu Jesus nicht bedient werden kann, so spielen doch
darin Dinge eine Rolle, die wesentliche Bestandteile wirklicher Liebe
sind.
Das erste wichtige Element der Liebe bei Maria
ist die Dankbarkeit. Sie wurde durch Jesus von irgendeiner
wahrscheinlich seelischen Gefangenheit und Qual befreit und geheilt. Geheilt
zu sein war für sie nicht irgendeine Selbstverständlichkeit, sondern sie war Jesus
dafür offensichtlich tief dankbar - so dankbar, dass sich ihre
Dankbarkeit in der Hingabe für seine Sache ausdrückte. Sie hat ihn
materiell unterstützt und wollte mehr wissen von diesem Lehrer. Dass Jesus sie
mit anderen Frauen mitziehen ließ durch Galiläa war eine für uns heute kaum
mehr nachvollziehbare Besonderheit, eine ungeheure Aufwertung und
Gleichstellung dieser Frauen. So geachtet und respektiert zu werden
hat Marias Zuneigung zu Jesus sicher noch besonders gestärkt. Als dann
nach der Gefangennahme Jesu fast alle Jünger flohen und ein Petrus gar Jesus
dreimal verleugnete, hat sie den Mut, nicht zu fliehen, sondern Jesus
auf seinem Weg in die Isolation treu zu begleiten, so gut es möglich war. Sie
steht am Kreuz. Sie folgt zum Grab. Sie möchte ihm auch nach dem Tod einen
letzten Liebesdienst erweisen und wird am Ostermorgen dann zur Auferstehungszeugin,
die nur allmählich begreift, dass ihre Liebe keine verlorene
Liebe ist. Jesus ist für sie da - allerdings nun nicht mehr als der bewunderte
Lehrer, sondern als der Gesalbte Gottes, der endzeitliche Messias, in dem Gottes
Liebe zu ihr und zu allen Menschen Gestalt geworden
ist.
Dankbarkeit, Hingabe, respektiert werden, Mut und Treue -
all das sind ganz wesentliche Bestandteile wirklicher Liebe. Solche Liebe hat
Maria von Magdala gelebt in der Nachfolge Jesu - und mir scheint, sie
wäre darin ein gutes Modell für unser Verständnis von Nachfolge Jesu,
für unsere Liebe zu Gott im Glauben:
Dankbarkeit für von Gott geschenkte Heilungen und Befreiungen im Leben.
Fürsorgliche Hingabe im Tun des Guten.
Freude darüber, von Christus als eigener Mensch
gewürdigt und geliebt zu werden.
Mut, sich zu Christus zu bekennen.
Treue im Festhalten an ihm.
Nachfolgen in diesem Sinn, liebe Gemeinde, heißt:
Jesus lieben! - und Maria von Magdala hat diese
Liebe in der Nachfolge Jesu vorgemacht!
War
es also eine Liebesgeschichte zwischen Jesus und Maria von Magdala? Ja, es war
eine Liebesgeschichte, die viel, wenn auch nicht alles von der
Bandbreite menschlicher Liebe umfasste.
Vielleicht
könnte man Maria am ehesten als eine Freundin Jesu bezeichnen - und zwar
in dem Sinn, in dem Jesus seine Jünger im Johannesevangelium „Freunde“ genannt
hat.
Jesus
unterscheidet dort den Freund vom Knecht, der bloßer
Befehlsempfänger ist. Der Freund aber ist ein Eingeweihter.
Er
hat Anteil an dem, was den anderen ausmacht. In diesem Sinn ist
Maria Jesus in einer freundschaftlichen Liebe verbunden gewesen, die sie
zu einer befreiten, selbstbewussten, mutigen und erwartungsvollen Frau gemacht
hat. Und vielleicht könnte man - im Blick auf Maria - Glauben im christlichen
Sinn ziemlich treffend genau so beschreiben: Das Leben im
Bewusstsein der freundschaftlichen Liebe Jesu, in der ich mich als befreit
und geachtet erlebe und zu einem dankbaren und hingebungsvollen
Menschen verwandelt werde - wie Maria von Magdala!
Amen
Samstag, 13. September 2014
Barbara Brückner-Walter: Komm her, meine Schöne! (Hoheslied)
„Siehe,
mein Freund, du bist schön und lieblich!“ Sagt sie. Und er: „Siehe, meine Freundin, du bist schön; schön bist du, deine Augen sind
wie Taubenaugen.“
Liebe
Gemeinde, hätten Sie gedacht, dass dieses Liebesgeflüster in der Bibel steht?
Im Lied der Lieder – schir haschirim – im Hohelied, das Salomo zugeeignet wird,
aber nicht wirklich von ihm stammt. Ja, da kann man, kann frau es lesen und
sich daran freuen. In wunderschönen Bildern wenden sich zwei Liebende einander
zu, beschwören ihre Liebe, besingen sie und geben so viel davon weiter: von
ihrer Freude, ihrem Überschwang, ihrer Erfüllung! Heute dürfen sie zu Wort
kommen, wenn ich das überhaupt mit Worten beschreiben kann, was da passiert.
Ich möchte Sie einladen, Sie dürfen ruhig zuschauen und zuhören bei dem
Liebesspiel der beiden. Nicht umsonst ist dieses Liebeslied ja in der Bibel
aufgeschrieben, nicht umsonst. Nein, gewiss nicht! Aber warum eigentlich? Warum
dürfen wir Bibel Lesenden teilhaben an dem Liebesgeflüster dieser beiden?
Früher
haben die Bibelausleger – und das waren ausschließlich Männer – sie haben
versucht, das Hohelied anders zu lesen und zu verstehen: als Allegorie, im
übertragenen Sinn, als Bild für die Liebe zwischen Gott und den Menschen. Den
strengen Kirchenvätern der alten Kirche mag es peinlich gewesen sein, diese
Texte überhaupt zu lesen, für alles menschlich Körperliche und erst recht für
Sexualität hatten sie keinen Sinn
oder durften zumindest keinen Sinn – keine Sinne - dafür haben.
Inzwischen
sind sich fast alle Theologinnen und Theologen darin einig, dass es im Hohelied
um eine leidenschaftliche, erotische Liebe zwischen zwei Menschen geht. Und
gerade deshalb ist es gut, dass dieses Lied in der Bibel steht. Denn ist es
nicht eines der schönsten Gaben göttlicher Schöpfung, wenn sich Menschen in
gegenseitiger Liebe aneinander und miteinander erfreuen können? Und diese
Schöpfergabe darf, ja sie soll besungen werden, zum Lobe Gottes und der
Menschen als Gottes Geschöpfe! Von Gott in diese Welt gestellt mit ihren vielen
Möglichkeiten und Gefährdungen, mit der Gabe zu lieben - so erlebe ich mich, so
mögen auch Sie sich erleben - als Mann oder als Frau: zur Liebe fähig; und doch
will sie mir immer wieder entgleiten, die Liebe, die große. Im Hohelied kommt
sie mir wirklich groß entgegen - und nimmt mich mit auf einen wunderbaren
Liebespfad. Lassen auch Sie sich einladen, versuchen Sie einfach, sich zu
öffnen für diese außergewöhnliche Liebeslyrik der hebräischen Bibel, die weder
Scheu noch Scham kennt!
Wie
schön werden die beiden Liebenden! Wie schön in den Augen des geliebten
Partners, der geliebten Partnerin! „Mein Freund ist weiß und rot, auserkoren
unter vielen Tausenden. Sein Haupt ist das feinste Gold. Seine Locken sind
kraus, schwarz wie ein Rabe. Seine Augen sind wie tauben an den Wasserbächen,
sie baden in Milch und sitzen an reichen Wassern. Seine Wangen sind wie
Balsambeete, in denen Gewürzkräuter wachsen. Seine Lippen sind wie Lilien, die
von fließender Myrrhe triefen. Seine Finger sind wie goldene Stäbe, voller
Türkise. Sein Leib ist wie reines Elfenbein, mit Saphiren geschmückt. Seine Beine
sind wie Marmorsäulen, gegründet auf goldenen Füßen. Seine Gestalt ist wie der
Libanon, auserwählt wie Zedern. Sein Mund ist süß, und alles an ihm ist
lieblich. – So ist mein Freund, ihr Töchter Jerusalems!“ (Hld 5,10-16)
Stolz spricht sie von ihrem Geliebten, in diesen von orientalischer Natur und
Kultur geprägten Bildern! Ganz unverblümt beschreibt sie ihn so, wie sie sich
von ihm angezogen fühlt. Das ist das besondere an ihm, das für sie so besondere:
nur er hat, was sie begehrt. Er allein ist es, der sie mit Liebe erfüllt.
Und
er steht ihr in nichts nach, auch sie wird unter seinem liebenden Blick
wunderschön. So redet er sie an: „Siehe, meine Freundin, du bist schön!
Siehe, schön bist du! Deine Augen sind wie Taubenaugen hinter deinem Schleier.
Dein Haar ist wie eine Herde Ziegen, die herabsteigen vom Gebirge Gilead. Deine
Zähne sind wie eine Herde geschorener Schafe, die aus der Schwemme kommen; alle
haben sie Zwillinge, und keines unter ihnen ist unfruchtbar. Deine Lippen sind
wie eine scharlachrote Schnur, und dein Mund ist lieblich. Deine Schläfen sind
hinter deinem Schleier wie eine Scheibe vom Granatapfel. Dein Hals ist wie der
Turm Davids…deine beiden Brüste sind wie junge Zwillinge von Gazellen, die
unter den Lilien weiden. Bis der Tag kühl wird und die Schatten schwinden, will
ich zum Myrrhenberge gehen und zum Weihrauchhügel. Du bist wunderschön, meine
Freundin, und kein Makel ist an dir.“ (Hld 4,1-7).
Und
so verzehren sie sich in Sehnsucht und lassen sich rufen. Er lockt sie zum
Liebesspiel: „Steh auf, meine Freundin! Komm mit mir, meine Braut!“ Sie wird
für ihn zur Lilie unter den Dornen, und er für sie wie ein Apfelbaum unter den
wilden Bäumen. „…unter
seinem Schatten zu sitzen begehre ich, und seine Frucht ist meinem Gaumen
süß…Seine Linke liegt unter meinem Haupte, und seine Rechte herzt mich….Mein
Freund gleicht einer Gazelle oder einem jungen Hirsch.“ -
„Du
hast mir das Herz genommen, meine Schwester, liebe Braut“ -seine Worte verraten ein bisschen
davon, um wie viel es geht: um alles! Das Körperliche steht im Mittelpunkt
dieser Liebeslyrik, aber ihre Liebe erschöpft sich nicht darin. Ihre Sexualität
ist vielmehr Ausdruck einer großen Liebe, die den und die andere ganz meint,
als Person, nicht als Objekt der eigenen Begierde. Als größtes Geschenk
vielmehr, das Menschen einander machen können. So singt sie: „Mein
Freund ist mein, und ich bin sein“. „Meinem Freund gehöre ich, und
nach mir steht sein Verlangen.“ Beide finden sie ihr Glück und ihre
Erfüllung nicht in sich selbst, sondern im andern. Beide werden für den
anderen, für die andere zur Quelle der Lust!
Und
so bleibt auch offen, wer führt und wer geführt wird. Es ist ein Spiel auf
Augenhöhe – welch revolutionäre Liebe in jener biblischen Zeit der Männerherrschaft! Es ist die
Frau, die begehrend das Lied eröffnet: „Er küsse mich mit dem Kusse seines
Mundes…!“ Das Spiel geht hin und her, ein Geben und Nehmen, es wechseln
aktiv und passiv, es wechselt, wer oben ist und wer unten. Alles bewegt sich,
die Dinge sind im Fluss. Natürlich gibt es männliches und weibliches, aber die
Zuteilung fließt: das Männliche ist nicht nur des Mannes, das Weibliche nicht
nur der Frau. In dieser Liebe verschwimmen die Grenzen, und die Liebenden
verlieren sich, aneinander und ineinander.
Wie
berührend schön diese Liebe besungen wird, so kennt sie doch eben auch das
andere, gefährdende. Aber vielleicht ist sie gerade deshalb so stark, die
Liebe, weil sie sich wehren muss. Gegen das dunkle, gewalttätige, und dagegen,
verloren zu gehen und zu verlieren. Da will sie ihm öffnen – „mein
Innerstes wallte ihm entgegen“. „Aber als ich meinem Freund aufgetan hatte,
war er weg und fortgegangen. Meine Seele war außer sich, dass er sich abgewandt
hatte. Ich suchte ihn, aber ich fand ihn nicht; ich rief, aber er antwortete
mir nicht.“ Der dunkle Untergrund, der die Liebe zerstört. Das Spiel
kann auch misslingen, die Liebe kann scheitern. Das kennen die Menschen zu
biblischer Zeit, auch davon wurde und wird gepredigt in diesem Sommer. Und das
kennen wir alle bis in unsere Tage. Wo Menschen einander ausnutzen, unter Druck
setzen, belügen, wo Gewalt im Spiel ist, wo die Würde des Partners, der
Partnerin mit Füßen getreten wird, wo Liebe mit Besitzenwollen oder mit der
Befriedigung der eigenen Bedürfnisse verwechselt wird, wo das Umfeld der
Liebenden einen störenden, ja zerstörerischen Einfluss ausübt, da ist die Liebe
in Gefahr. „Es
fanden mich die Wächter, die in der Stadt umhergehen; die schlugen mich wund.“ Gewalt
muss sie erleiden, schlimme Gewalt. „Die Wächter auf der Mauer nahmen mir meinen
Überwurf.“ Eine Andeutung oder Anspielung auf jene wohl schrecklichste,
entwürdigendste Form der Gewalt – vor schwarzen Abgründen also entfaltet sich der
helle Liebeszauber des Hohelieds. „Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems,
findet ihr meinen Freund, so sagt ihm, dass ich vor Liebe krank bin!“
Sie
finden sich. Gegen alles, was sich zwischen die Liebenden drängen will, über
alles, was ihre Liebe gefährdet, scheint sie erhaben, die Liebe: das Spiel geht
weiter. Aber am Ende dieser Liebeslyrik schwingt noch ein anderer, ein neuer Ton
mit hinein. „Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm.
Denn Liebe ist stark wie der Tod und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich.
Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des Herrn, sodass auch viele Wasser die
Liebe nicht auslöschen und Ströme sie nicht ertränken können. Wenn einer alles
Gut in seinem Hause um die Liebe geben wollte, so könnte das alles nicht
genügen.“ Er führt über die beiden Liebenden
hinaus, dieser neue Ton. Weil diese Liebe alles
überbietet. Es gibt nichts stärkeres – „Liebe ist stark wie der Tod…ihre Glut ist
feurig und eine Flamme des Herrn…“ In dieser so alles überbordenden
Liebe ist Gott selbst! Es ist das erste und einzige Mal, ganz am Schluss des
Hohelieds, dass sich Göttliches hinein mischt. Und mit welcher Kraft, mit
welchem Gewicht! Nichts könnte dies aufwiegen! Und auch nicht die dunkelsten
Gefährdungen der Liebe, die ja so menschlich sind, können dem trotzen. Denn
Göttliches ist ja immer schon da – in der Liebe, die beiden Liebenden haben’s
längst schon gespürt, auch wenn’s nicht so direkt ausgesprochen wurde. Aber was
ist’s denn anderes, wenn wir lieben, als dem entgegen zu leben, wofür uns Gott
geschaffen und befähigt hat! Und so darf diese Liebeslyrik am Ende – und
eigentlich schon von Anfang an – sich viel weiter gefasst und verstanden
wissen: als Weg der Liebe, der so verlockend besungen wird, auf dem ich Gott
begegnen und erspüren darf. Als Weg der Erotik – mit all den Schattierungen,
die weit über das liebende Miteinander zweier Menschen hinaus weisen. Und auf
diesem Weg darf ich mich immer wieder als Anfängerin bewegen – als Anfängerin
der Liebe, die auch Fehler macht, die anderen vieles schuldig bleibt und doch
immer wieder neu auf die Suche geht: auf die Suche nach der Liebe mit ihrer
feurigen Glut und ihrer unwiderstehlichen Leidenschaft! Amen.
Gott, du Melodie meines Lebens,
Gott, du Melodie meines Lebens,
du Klang und Musik –
sanft und zart
kraftvoll und stark –
geheimnisvoll mich
liebkosend
berührend umfassend
oft so fern – und
dann wieder
in mir, Gott.
Öffne meine Ohren –
damit ich deinen
Klang höre
streichle meine Haut
–
damit ich deine
Berührung spüre
nimm mich in den Arm
–
damit mein Herz Ruhe
findet in dir
damit mein Körper
Antwort ist
meine Lippen Worte
formen
kann ich zur Antwort
werden
und zögernd erklingt
mein Lied
in der Welt für dich
und die Menschen:
für alle, die sich
geliebt wissen und Liebe weiterschenken
für alle, die leiden
und sich nach Liebe sehnen –
für die Opfer von
Hass und Gewalt in der Ukraine, im nahen und mittleren Osten und überall auf
der Welt, wo Krieg und Unfrieden herrschen.
Gott – du Melodie
allen Lebens,
lass deine Menschen
das Lied des Lebens und der Liebe singen.
Vaterunser im Himmel...
Sonntag, 7. September 2014
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