Sonntag, 17. August 2014

Joachim Schmid: Kluge Liebe geht durch den Magen - Abigail und David (1.Samuel 25)


Liebe Gemeinde,
„Kluge Liebe geht durch den Magen!“ So möchte ich die biblische Erzählung überschreiben, um die es heute geht. Es ist eine Liebegeschichte zwischen David und Abigajil aus dem 25. Kapitel des 1. Samuelbuchs.
Eine Liebesgeschichte – gewiss, aber erst vom Ende her betrachtet. Davor geht es um Leben und Tod, um Streit und diplomatisches Geschick, um Rache und Besänftigung – sowie eben um leckeres Essen. Ein Friedensmahl wird zum Liebesschmaus!
Also, liebe Gemeinde nach einem kleinen Anlauf verrate ich Ihnen heute das Rezept für Ihr Candle-Light-Dinner biblischen Vorbilds. Denn: Kluge Liebe geht durch den Magen.
Abigajil ist die Chefköchin. Eine Frau mit scharfsinnigem Verstand, ihren Haushalt führt sie sehr umsichtig, weiß mit Angestellten umzugehen, verfügt über einen klaren Blick in brenzligen Situationen und hat größte Aufmerksamkeit für andere Menschen. Ihre genaue Wahrnehmungsfähigkeit, ihr weitherziges Einfühlungs- vermögen und ihr entscheidungsstarker Verstand, lassen Sie zu einer der begehrtesten Frauen im vorderen Orient werden. Als kluge Frau von graziler Schönheit wird sie uns im ersten Buch Samuel vorgestellt.
Sie ist verheiratet mit einem Ehemann, der das genaue Gegenteil von ihr verkörpert: „Nabal“ ein grobschlächtiger Klotz. Bereits sein Name gibt Auskunft über sein Wesen: Nabal zu deutsch, Tor, Narr, Trottel. „Nomen est omen“. Während Abigail schön und intelligent ist, zeigt er sich dumm, aber reich. Nabal, ein Herdenbesitzer am Fuß des Gebirges Karmel. Er protzt mit seinen zahreichen Schafstieren und beschäftigte eine Menge Hirten. Die Geschäfte laufen hervorragend, trotz seines grummeligen Gemüts und seinem ausgeprägten Starrsinn – erstaunlich, finde ich. Wie die beiden, Abigalijl und Nabal früher einmal zusammenfinden konnten, bleibt eines der ungelösten Rätsel der Bibel. Allerdings, siehe da, es taucht noch ein anderer Mann auf. Es ist David, der fast noch jugendliche, der weinige Monate vorher mit seinem Harfenspiel, den verstimmten König Saul bei Laune zu halten wusste. Es ist jener David, der als Hirtenjunge dem Philister Goliath mutig mit seiner Steinschleuder zur Strecke gebracht hatte. Nun ist er jedoch nicht mehr an Sauls Hof. Neid und Missgunst hatten ihn von dort vertrieben. Mit einigen Männern, die sich ihm anschlossen, zieht David durchs Land und verdient sein Geld mit Schutzzöllen.
Was heute archaisch und anrüchig klingt, war in biblischen Zeiten nichts ungewöhnliches. David beschützte die Herden des reichen Viehzüchters Nabal, sicherte das Weideland vor wilden Tieren und wohl auch vor manchem menschlichen Wilder. Kein Stück Vieh ist Nabal abhandengekommen – so hält er ihm vor. Dies geschieht als Nabal ein Fest ausruft zur Schafschur. David schickt 10 seiner Männer zu Nabal mit dem Auftrag: „Geht nach Karmel, bestellt Nabal einen Gruß von mir und richtet ihm folgendes aus: „Ich wünsche dir alles Gute! Glück und Heil für dich und deine Familie und für alles, was dir gehört! Ich habe
gehört, dass du deine Schafe scheren lässt. Darf ich dich erinnern, dass deine Hirten die Schafe ganz in unserer Nähe weiden ließen? Wir haben ihnen nichts zuleide getan, sondern auf sie aufgepasst! Nimm also meine Boten freundlich auf. Hab die Güte und gib ihnen mit, was du für deinen ergebenen Diener David erübrigen kannst.“ Doch Nabal reagiert schroff und zurückweisend: „Wer ist David? Sollte ich mein Brot und mein Wasser nehmen und mein Fleisch, das ich für meine Scherer geschlachtet habe, und Leuten geben, von denen ich nicht weiß, wo sie her sind?“
Diese unverschämt schroffe Abweisung lässt David sich nicht bieten. Als die Männer zu ihm zurückkehren und es ihm berichten, befiehlt er seinen Leuten, sich zum Kampf gegen den geizigen Nabal zu rüsten. Sie schnallen sich die Schwerter um. Die Bibel erzählt, dass David keinen Mann von Nabals Sippe am Leben lassen wollte – so impulsiv und zornig konnte der junge David werden.
An dieser Stelle greift nun die kluge und schöne Abigajil ins Geschehen ein. Sie ahnt das Unheil und handelt rasch und effektiv. Mit ihrem Mann war in dieser Sache nicht zu reden. Bloß kein Blutbad, denkt sie sich. Ein Festessen soll den aufbrausenden David und seine Leute besänftigen. Sie lässt ein paar Esel mit köstlichen Lebensmitteln voll packen und reitet ihm entgegen: 200 Fladenbrote, zwei Krüge voll Wein, fünf geschlachtete Schafe, fünf Maß Röstkorn, 100 Portionen gepresste und eingelegte Rosinen, sowie 200 Feigenkuchen.
Ich wundere mich – liebe Gemeinde - , wie diese Frau in solch kurzer Zeit ein derartiges Festessen zusammenstellen konnte. Sie ahnen es bereits, die Mischung von Süßspeisen und Herzhaftem konnte nicht nur den Gaumen überzeugen. Wer sich an einem köstlichen Essen erfreut, der vergisst, was ihn sonst so beschäftigt. Der vergisst sich mitunter selbst – und das war bei David äußerst heilsam. Er vergaß seine Kränkung, die ihm Nabal zugefügt hatte. Er vergaß seinen Zorn und blickt statt dessen in das hübsche Gesicht von Abigajil: Geschickt weist diese auf die mitgebrachten Geschenke für David und seine Krieger. Aber noch eloquenter ist ihre Argumentation: „Gott hat David – bislang vor Blutschuld zurückgehalten, Gott wird auch weiterhin seine Herrschaft gründen und stärken, ohne dass David Böses tut.“ Das sagt sie ihm: „So gewiss der Herr lebt und so wahr du selber lebst: Es ist gut, dass ich dir noch rechtzeitig begegnet bin! Der Herr hat dich davor bewahrt schwere Schuld auf dich zu laden und dir mit eigener Hand zu helfen. Du führst des Herrn Kriege. Es möge nichts Böses an dir gefunden werden dein Leben lang. ... Und wenn der Herr dir wohl tun wird, so wollest du an deine Magd denken.“
Wie reagiert David? „Gelobt sie der Herr, der Gott Israels, der dich heute mir entgegengesandt hat, und gesegnet sei deine Klugheit; und gesegnet seist du. Denn wärst du mir nicht eilends begegnet, wo wäre dem Nabal bis zum nächsten Morgen nicht einer, der männlich ist, übriggeblieben.“
Abigalil ist erfolgreich dazwischen gegangen, sie hat Frieden gestiftet und eine sinnlose Schlacht verhindert. Und in dieser köstlichen Friedensfeier blitzt bereits etwas romantisches auf, zwischen den Worten, die die beiden miteinander wechseln. Vielleicht war es ein Blick, vielleicht eine unbedachte Berührung. Oder ist dies nur meine Einbildung? Jedenfalls verabschieden sich beide wieder voneinander. David kehrt um und auch Abigajil kehrt zu ihrem Ehemann zurück. Sie findet Nabal volltrunken bei seinem Fest mit seinen Hirten. Während Abigajil gewandt und freigiebig war, hat sich Nabal bis zur Besinnungslosigkeit besoffen, sie jedoch hat Land und Leben für sich und ihre Leute gerettet.

Liebe Gemeinde, ich möchte Sie an dieser Stelle darauf aufmerksam machen, dass der biblische Erzähler diese Geschichte als Umkehrung der traditionellen patriarchalen Rollenverteilung inszeniert – hier ist nämlich die Frau die Hauptperson, die verständig, klug und gewandt mit ihrem derben, grobschlächtigen Mann umgeht.
Als Nabal seinen Rausch ausgeschlafen hatte und Abigajil ihm erzählte, was sich ereignet hat – und wie knapp er dem Feldzug Davids entgangen ist, da wird dieser Teil der biblischen Geschichte sehr knapp und kurz beendet. Ich weiß nicht ob es die große Scham war, die Nabal dann verspürte - in der Bibel ist sein Ende so beschrieben: „Da erstarb sein Herz in seinem Leibe und er ward wie ein Stein. Und nach zehn Tagen schlug der HERR den Nabal, dass er starb.“ Als dies David hört spricht er: „Gelobt sei der Herr, der meine Schmach gerächt hat an Nabal und seinen Knecht abgehalten hat vor einer bösen Vergeltungstat!“ Und weiter ließt er Abigajil durch Boten ausrichten, dass er sie gerne zur Frau nehmen wolle. Abigajil willigte ein – nein sie ritt ihm mit Freude entgegen und nahm auch gleich 5 Dienerinnen mit, was mich dazu bringt zu spekulieren, ob sie nochmal Zutaten für ein weiteres Festessen mit sich brachte. Die Bibel berichtet nur nüchtern, dass David sie zur Frau nahm. Jedenfalls hat diese Frau zwischen zwei Männern sich auf eine bessere, waffenlose Politik verstanden und Frieden, ja Liebe gestiftet. Diese Liebesgeschichte, zwischen Macht und Gaumenschmaus, reiht sich ein in den großen Erzählzusammenhang der Heilsgeschichte Gottes mit seinem Volk: Abigajil, eine Nichtisraelin aus dem Lande Karmel, wird – ohne es zu wissen oder zu wollen – zur Wegbereiterin und Begleiterin Davids zum König. Sie steht für mich, nicht nur für eine kluge Liebe, nicht nur für eine raffinierte Köchin, die mit – wissen sie es noch – zweihundert Feigenkuchen, 100 Portionen Rosinen, fünf Maß Röstkorn, fünf geschlachteten Schafen, zwei Krügen Wein und 200 Fladenbrot den kommenden König geneigt machte, ihn mit einem Friedens- und Liebesmahl verzaubert hat. Sie steht für mich auch für alle Menschen, die sich nicht einschüchtern lassen, sondern ihren Weg der Weisheit gehen, die weiter sehen, glauben, hoffen und lieben als die kriegerischen Auseinandersetzungen auch unserer Tagen uns vor Augen führen, sei es im Nahen Osten oder in der Ukraine. Jesus Christus, der Sohn Davids, verkündete: Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen!“ Frieden und Liebe gehörten auch bei ihm zusammen. Damit ein Liebesmahl nicht vorzeitig aufhören musste, hat er mehrere Krüge Wasser zu Wein gemacht – aber das wäre eine neue Liebesgeschichte, die sich zu Kana zutrug.
Für heute: Amen - so sei es.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen