Freitag, 8. August 2014

Susanna Worbes: Mehr als eine Freundschaft? David und Jonathan (1. Samuel 18ff)

Liebe ist überall
-       Liebe zwischen Männern und Frauen: Tobias und Sara, Jakob und Rebekka, Abraham und Sara
-       Und ganz selten erzählt die Bibel von Liebe  zwischen Frauen: Naomi und Ruth
-       Und Liebe zwischen Männern : der Jünger Johannes und Jesus, (David und Jonatan)


David ist ein vielgeliebter Mann.
Nirgendwo sonst in einer Erzählung taucht das Wort „Liebe“ so oft auf wie in der Daviderzählung.
David wird von Michal, Abigail und Bathseba geliebt, von Saul und dem ganzen Volk Israel und Juda.


Und er wird von Jonatan geliebt und zwar so sehr, dass sich „Jonatans Herz untrennbar mit dem Herzen Davids verband und Jonatan ihn so liebte wie sein eigenes Herz.“
So ist es zu Beginn des 18. Kapitels des 1. Samuelbuches zu lesen.


Eine ganz starke Liebe ist da entbrannt und leider wird gar nicht richtig erzählt, wie es dazu kam.


Im Kapitel zuvor wird der Kampf zwischen David und Goliath beschrieben (SL).
Der Hirtenjunge David, kleinster von 7 Brüdern , überzeugt König Saul gegen den bislang unbesiegbaren Riesen Goliath kämpfen zu dürfen.


„Gott ist mit mir“ sagt David zu Saul, „er hat mir auch geholfen, als ich meine Schafe gegen Bären und Löwen verteidigen mußte. Er wird mir auch gegen diesen Philister helfen, der das Heer des lebendigen Gottes verhöhnt hat!“


Diese Worte überzeugen Saul und David zieht mit Sauls Segen in den Kampf.
Außerdem erfahren wir in diesem Kapitel noch, dass David bräunlich ist, mit schönen Augen und von guter Gestalt.
Im Kampf erweist sich David als schlauer, treffsicherer Schütze. Er besiegt Goliath.
In der Kampferzählung wird geschildert, dass David Goliats Haupt abschlägt und es wie einen Fußballweltmeisterschaftspokal triumphierend vor sich her trägt.


Ein gruseliges Bild.


Saul lässt David zu sich rufen und für Jonatan, der neben ihm steht, muss es Liebe auf den ersten Blick gewesen sein, denn ohne Übergang kommen jetzt die Worte:


„Als David  aufgehört hatte mit Saul zu reden verband sich das Herz Jonatans untrennbar mit dem Herzen Davids und Jonatan liebte ihn so wie sein eigenes Herz.“


War es der Mut des Hirtenjungen Davids , sein unbekümmertes Wesen, seine schönen Augen und seine schöne Gestalt oder dass er in David einen Gleichgesinnten entdeckt hat ?
 Das wird nicht erzählt.
Erzählt wird, dass Jonatan nun ganz ungewöhnlich handelt:
Er zieht seinen Umhang aus, seine Kriegsrüstung, sein Schwert, seinen Bogen und sogar seinen Gurt und überreicht David dies alles.


Jonatan zeigt damit ein Dreifaches
Er, der Thronerbe stellt den Hirtenjungen mit sich auf eine Stufe. Er gibt David sichtbare Insignien seines eigenen Heldentums und seiner Macht und läßt ihn damit an beidem teilhaben. Er setzt durch das Hergeben seiner persönlichen Dinge ein Zeichen     wie sehr er David lieb gewonnen hat.


Jonatan überwindet oben und unten und zieht David hinauf auf seine hierarchische/soziale Ebene.
Das ist gar nicht ungefährlich. Denn durch die Siege die David später erringt, kann er zum Konkurrenten für Jonatans Thronanspruch werden.


Aber zunächst nimmt Saul David an seinem Hof auf. 
David kann nicht nur schlau kämpfen, er kann auch wunderbar Harfe spielen.
Das ist wichtig, denn Saul leidet zunehmend an Schwermut und bösen Dämonen, die ihn quälen.
Und Davids Saitenspiel, vielleicht auch seine gewinnende Ausstrahlung, vertreiben die Schwermut und bösen Geister- wenigstens eine Zeit lang-.


Bei dieser Szene steht, dass auch Saul David sehr lieb gewann.


David musiziert aber nicht nur am Hof, er bekommt auch eine fundierte Kampfausbildung.
Und zieht in den Kampf und gewinnt und gewinnt und gewinnt, eine Schlacht nach der anderen.
Saul wird von seiner Schwermut und den bösen Geistern immer mehr geplagt.
Während Davids Heldenstern, kometengleich am Himmel erstrahlt.
Jubelnd tanzen ihm die Frauen des Volkes entgegen und singen „Saul hat tausend erschlagen, David aber zehntausend“ – „Ganz Israel und Juda hat David lieb.“ 
Da wird es Saul Angst und bange,
er hat Angst um seine Position, seinen Thron, die Weitergabe seines Erbes .


Ich lese weiter:




2 deshalb berichtete er David davon und sagte: Mein Vater Saul will dich töten. Nimm dich also morgen früh in Acht, verbirg dich in einem Versteck!


3 Ich aber will zusammen mit meinem Vater auf das Feld hinausgehen; dort, wo du dich versteckt hältst, werde ich stehen bleiben und mit meinem Vater über dich reden, und wenn ich etwas erfahre, werde ich dir Bescheid geben.


4 Jonatan redete also zugunsten Davids mit seinem Vater und sagte zu ihm: Der König möge sich doch nicht an seinem Knecht David versündigen; denn er hat sich ja auch nicht an dir versündigt und seine Taten sind für dich sehr nützlich gewesen.


5 Er hat sein Leben aufs Spiel gesetzt und den Philister erschlagen. Der Herr hat (durch ihn) ganz Israel viel Hilfe gebracht. Du hast es selbst gesehen und dich darüber gefreut. Warum willst du dich nun versündigen und unschuldiges Blut vergießen, indem du David ohne jeden Grund tötest?


6 Saul hörte auf Jonatan und schwor: So wahr der Herr lebt: David soll nicht umgebracht werden.


7 Jonatan rief David und berichtete ihm alles. Dann führte Jonatan David zu Saul und David war wieder in Sauls Dienst wie vorher.


Es wird Jonatan nicht leicht gefallen sein, seinem Vater gegenüber so eindeutig für David einzutreten.
Denn bestimmt hat es ihn nicht unberührt gelassen, wie sehr sein Vater der alternde König unter den strahlenden Erfolgen dieses jugendlichen Helden litt und wie sehr es ihm zu schaffen machte, dass ausgerechnet sein Sohn Jonathan mit seinem Konkurrenten David so eng befreundet war.


Auch sonst kommt das vor, dass Freundschaften bei anderen Neid und Mißtrauen auslösen, weil sie sich ausgeschlossen fühlen, vor allem wenn sie, wie Saul unter der eigenen Einsamkeit leiden und es nicht schaffen aus ihrer Haut herauszukommen.


Aber trotz allem inneren Zwiespalt entscheidet sich Jonatan, David vor Saul die Stange zu halten und hier gelingt ihm das auch noch den Vater umzustimmen.


Aber das hält nicht lange.
Bald darauf trachtet Saul  David erneut nach dem Leben.
Und als Jonatan da nochmal fragt: „Warum soll David sterben? Was hat er getan?“


Da wirft Saul in seinem Jähzorn den Speer nach seinem eigenen Sohn!


Aber das ist nicht das einzige Mal, dass Jonatan sein Leben aufs Spiel setzt, um David vor der Mordlust seines Vaters zu schützen.


Nicht zuletzt wegen diesen Episodne sieht die jüdische Tradition in der Freundschaft Jonatans mit David eine Illustration des Satzes aus dem Hohenlied:


„Die Liebe ist stark wie der Tod“ (8.6.)


Am Ende bleibt für David  keine andere Möglichkeit, als zu fliehen und in den Untergrund zu gehen.
die beiden Freunde müssen  voneinander Abschied nehmen.


Ich lese 1. Samuel 20, 41 f:


„Und als der Junge weggegangen war, kam David  hinter dem Steinhaufen hervor hinter dem er sich verborgen hatte und warf sich mit dem Gesicht auf die  Erde und verneigte sich dreimal tief und sie küssten einander und weinten miteinander, David aber am allermeisten.


Und Jonatan sprach zu David: Geh hin im Frieden!  Das, was wir beide geschworen haben beim Namen Gottes: Gott soll zwischen mir und dir sein und zwischen meinen und deinen Nachkommen- das soll gelten in Ewigkeit“


Ich wüßte gern, warum hier ausdrücklich betont wird, dass David bei diesem Abschied am allermeisten geweint hat.
Zuvor wird mehrmals nur erzählt, wie sehr Jonatan David lieb hat. So lieb wie sein eigenes Herz.
Davids Gefühle dagegen bleiben seltsam blass. Fast so als wäre das eine einseitige Liebe.
Jonatan schenkt  alles her, sogar sein Thronerbe indem er zu David sagt: „Du wirst König werden über Israel und ich werde der zweite nach dir sein!“
Und was gibt David ?
Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass er trauriger war als Jonatan.
Vielleicht merkt er jetzt erst richtig wieviel er Jonatan verdankt und wie selbstverständlich er dessen Liebe hingenommen und für sich ausgenutzt hat.
Manchmal wird einem erst bei einem Abschied bewusst, was man am anderen hatte.
Aber wie dem auch sei, ich finde diese Szene berührend, wie diese beiden kampferprobten Helden umeinander weinen und sich mit großer Zärtlichkeit voneinander verabschieden.


Aber noch etwas anderes bewegt mich bei diesem Abschied.
Erst hier wird die Bedeutung Gottes für diese Freundschaft erkennbar:


Das, was wir beide geschworen haben beim Namen Gottes: Gott soll zwischen mir und dir sein und zwischen meinen und deinen Nachkommen- das soll  gelten in Ewigkeit.“


Gott wird zum Zeugen aufgerufen. Die große und edle, durch die Missgunst und Macht Sauls nicht zu zerstörende Freundschaft zwischen David und Jonatan bekommt eine fast religiöse Dimension: Wo soviel Liebe ist, da ist auch Gott.


Und daneben höre ich auch aus diesen Worten die Bekräftigung früherer Versprechen und ein „In- Gottes –Hand- Legen-„ all dessen, was zu dieser Freundschaft gehört, das Gute und Klare, wie das Schwierige und Dunkle. Und auch die Zukunft, die nun auf getrennten Wegen erlebt werden muss, auch sie wird Gott anvertraut.


(Das finde ich tröstlich auch für eigene Freundschaftsgeschichten.
Denn neben dem Schönen gibt es auch das das Schillernde, auch bei uns ist längst nicht alles ausgewogen, auch wir bleiben einander immer wieder etwas schuldig und werden einander nicht gerecht.
Da ist es gut in Gottes Hand einen Ort zu wissen, wohin wir alles legen können, auch das, was wir einmal  nicht richtig in Worte fassen können, auch das, was uns schwer fällt uns einzugestehen.)


Für die Geschichte von David und Jonatan erhält dieser Abschied  besonderes Gewicht, weil er  zu einem endgültigen wird:
Denn Jonatan bleibt trotz allem, was gewesen ist, an der Seite seines Vaters und stirbt mit ihm und zwei anderen Brüdern zusammen in einer Schlacht gegen die Philister.


David erreicht, nicht zuletzt durch dieses gewaltsame Ende der Familie Sauls,
sein lang ersehntes Ziel und wird König über Israel.
(Aber obwohl David für sein Machtinteresse immer den Tod Sauls und seiner Söhne einkalkulieren mußte, ist) seine Trauer aufrichtig.


In schmerzhafter Zerrissenheit klagt David in einem Klagelied über den Tod von Saul und Jonatan:


19 Die Edelsten in Israel sind auf deinen Höhen erschlagen.
Wie sind die Helden gefallen!


……


22 Der Bogen Jonatans hat nie gefehlt,
und das Schwert Sauls ist nie leer zurückgekommen
von dem Blut der Erschlagenen
und vom Mark der Helden.


23 Saul und Jonatan, geliebt und einander zugetan,
im Leben und im Tod nicht geschieden;
schneller waren sie als die Adler
und stärker als die Löwen.


24 Ihr Töchter Israel, weint über Saul,


25 Wie sind die Helden gefallen im Streit!
Jonatan ist auf deinen Höhen erschlagen!


26 Es ist mir leid um dich, mein Bruder Jonatan,
ich habe große Freude und Wonne an dir gehabt;
deine Liebe ist mir köstlicher gewesen,
als Frauenliebe ist.


Ja über diese letzten Sätze kann man jetzt denken was man will.


Ob David auch die körperliche Liebe eines Mannes , der einer Frau vorgezogen hat ?
Oder ob es nur um eine geistig, seelische Liebe geht, die David nur gegenüber einem Mann, seinem Freund Jonatan so tief empfinden konnte?


Im AT ist Sexualität zwischen Männern verpönt und zur gleichen Zeit waren in der Antike auch sexuelle Freundschaften vor allem zwischen Kriegern nicht unüblich.
Denken wir an Alexander den Großen und seinen intimsten Freund Hephaistion, den er nach dessen Tod zum Halbgott erklären läßt, an die trojanischen Helden Achill und Patrokolos oder die berühmten platonischen Schriften  in denen es zum Thema Liebe  nur um (auch erotische) Liebe zwischen Männern geht.


Aber ich denke, das ist gar nicht so wichtig, ob in der Freundschaft zwischen David und Jonatan auch Erotik und Sexualität im Spiel war.


Dieses Klagelied Davids schildert
was für eine tiefe Liebe ihn mit Jonatan verband.
Eine Liebe, die er sonst keinem Menschen gegenüber empfand,
auch nicht gegenüber seinen Frauen.


Diese Freundschaft hatte eine Qualität, die vielleicht nur mit einem besten Freund oder (bei Frauen)mit einer besten Freundin entstehen kann.


Eine Verbundenheit die eine andere Qualität/ Dimension hat, als die einer Ehe oder einer Familiengemeinschaft.


Die Frage ob die Beziehung zwischen David und Jonatan mehr als eine Freundschaft war,
ist für mich jedenfalls so zu beantworten,
dass diese Freundschaft eine außergewöhnlich innige Freundschaft war,
zu der Gott als Zeuge gerufen wurde  und in der Gott sich zeigte.


Was David  Jonatan zum Abschied versprochen hat, hat er gehalten,( auch wenn er sich später als König  oft skrupellos verhalten hat):
Er nimmt Jonatans gelähmten Sohn- den einzigen Überlebenden der Familie Sauls- wie seinen eigenen Sohn bei sich auf.
Das tut er um seines Freundes Jonatan willen,
denn die Liebe dieser beiden Männer kann selbst der Tod des einen nicht zerstören.


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