Donnerstag, 21. August 2014

Michael Waldmann: Höre, was ich dir flüstere: Josef und Potifars Frau (1.Mose 39)

Der Predigttext steht in 1. Mose 39
1Josef wurde hinab nach Ägypten geführt, und Potifar, ein ägyptischer Mann, des Pharao Kämmerer und Oberster der Leibwache, kaufte ihn von den Ismaelitern, die ihn hinabgebracht hatten. 2 Und der HERR war mit Josef, sodass er ein Mann wurde, dem alles glückte. Und er war in seines Herrn, des Ägypters, Hause. 3 Und sein Herr sah, dass der HERR mit ihm war; denn alles, was er tat, das ließ der HERR in seiner Hand glücken, 4 sodass er Gnade fand vor seinem Herrn und sein Diener wurde. Der setzte ihn über sein Haus; und alles, was er hatte, tat er unter seine Hände. 5 Und von der Zeit an, da er ihn über sein Haus und alle seine Güter gesetzt hatte, segnete der HERR des Ägypters Haus um Josefs willen, und es war lauter Segen des HERRN in allem, was er hatte, zu Hause und auf dem Felde. 6 Darum ließ er alles unter Josefs Händen, was er hatte, und kümmerte sich, da er ihn hatte, um nichts außer um das, was er aß und trank. Und Josef war schön an Gestalt und hübsch von Angesicht. 7 Und es begab sich danach, dass seines Herrn Frau ihre Augen auf Josef warf und sprach: Lege dich zu mir! 8 Er weigerte sich aber und sprach zu ihr: Siehe, mein Herr kümmert sich, da er mich hat, um nichts, was im Hause ist, und alles, was er hat, das hat er unter meine Hände getan; 9 er ist in diesem Hause nicht größer als ich und er hat mir nichts vorenthalten außer dir, weil du seine Frau bist. Wie sollte ich denn nun ein solch großes Übel tun und gegen Gott sündigen? 10 Und sie bedrängte Josef mit solchen Worten täglich. Aber er gehorchte ihr nicht, dass er sich zu ihr legte und bei ihr wäre. 11 Es begab sich eines Tages, dass Josef in das Haus ging, seine Arbeit zu tun, und kein Mensch vom Gesinde des Hauses war dabei. 12 Und sie erwischte ihn bei seinem Kleid und sprach: Lege dich zu mir! Aber er ließ das Kleid in ihrer Hand und floh und lief zum Hause hinaus. 13 Als sie nun sah, dass er sein Kleid in ihrer Hand ließ und hinaus entfloh, 14 rief sie das Gesinde ihres Hauses und sprach zu ihnen: Seht, er hat uns den hebräischen Mann hergebracht, dass der seinen Mutwillen mit uns treibe. Er kam zu mir herein und wollte sich zu mir legen; aber ich rief mit lauter Stimme. 15 Und als er hörte, dass ich ein Geschrei machte und rief, da ließ er sein Kleid bei mir und floh und lief hinaus. 16 Und sie legte sein Kleid neben sich, bis sein Herr heimkam, 17 und sagte zu ihm ebendieselben Worte und sprach: Der hebräische Knecht, den du uns hergebracht hast, kam zu mir herein und wollte seinen Mutwillen mit mir treiben. 18 Als ich aber ein Geschrei machte und rief, da ließ er sein Kleid bei mir und floh hinaus.
19 Als sein Herr die Worte seiner Frau hörte, die sie ihm sagte und sprach: So hat dein Knecht an mir getan, wurde er sehr zornig. 20 Da nahm ihn sein Herr und legte ihn ins Gefängnis, in dem des Königs Gefangene waren. Und er lag allda im Gefängnis. 21 Aber der HERR war mit ihm und neigte die Herzen zu ihm und ließ ihn Gnade finden vor dem Amtmann über das Gefängnis, 22 sodass er ihm alle Gefangenen im Gefängnis unter seine Hand gab und alles, was dort geschah, durch ihn geschehen musste.



Liebe Gemeinde,
was für eine Liebesgeschichte. Und das in der Bibel. Erfahrene Frau verführt jungen hübschen Mann, wird abgewiesen und rächt sich an ihm mit einem geschickten Schachzug. Liebe oder war es nur sexuelles Begehren schlägt in Hass um. Der scheinbare gehörnte Ehemann wirft den jungen Nebenbuhler ins Gefängnis. Gott sei Dank. Er hätte ihn auch töten können. Gott sei Dank. So kommt er letztlich zum Pharao – auf Umwegen.

Aber fangen wir mit dem Beginn der Geschichte an. Potifar kauft Josef und stellt bald fest, dass dem jungen Mann alles gelingt, was er anpackt. Gott war mit ihm. Gott ließ Josef alles gelingen und Potifar wurde immer wohlhabender. Vermutlich war Josef zunächst ein einfacher Sklave. Er schuftete auf den Feldern. Doch bald entdeckte man seine Managerqualitäten. Potifar, als Kämmerer (Finanzminister) und Vorgesetzter von Soldaten hat ein gutes Auge für Leute. Sehr schnell erkennt er den Wert seines Glücksfangs. Es dauert nicht lange und Josef schmeißt den Laden. Er wird zum Manager des ganzen Betriebs. Potifar kann es ich gut gehen lassen. Und Erfolg macht sexy – nicht nur heute. Der Blick er Frau des Potiphar fällt auf Josef und sie merkt: Er hat einen tollen Körperbau, V-förmiger Oberkörper, flacher Bauch, Sixpack, ein knackiger Hintern und auch noch ein schönes Gesicht aus dem Augen strahlen, in denen sie sich verlieren kann. Ihr Interesse ist geweckt. Unstillbar. Sie will diesen Jungen. Jeden Tag sieht sie ihn und jeden Tag wird ihr Begehren größer. Ist er nicht mein Sklave, denkt sie. Sie will ihn erobern. Es ist ein spannendes Spiel, das sie nur gewinnen kann, denkt sie. Wenn es gut geht, erliegt er ihren erotischen Phantasien. Und wenn das nicht reicht, wird sie es ihm einfach befehlen -  den Liebesdienst. Sie kennt ein ausgeklügeltes Reservoir an Erotik. Aufreizende Kleidung – durchsichtig und fein – verführerischer Blick und Einblicke. Sie kann mit ihren Reizen umgehen. Aber es rührt sich nichts bei Josef - scheinbar. So geht sie in die Offensive: „Leg dich zu mir!“ flüstert sie ihm eines Tages ins Ohr, als sie ihm gefährlich nahe kommt. Höre zu, was ich dir flüstere. Lege dich zu mir.
Bei Thomas Mann in seinem Werk Josef und seine Brüder  wird dies wunderbar geschildert: „Horch, was ich flüstere: Für dich, Josef hat sich mein Körper verändert und verwandelt und ist zum Liebesleibe geworden vom Wirbel bis zur Zehe, also dass du, wenn du mir nahe beiwohnst und mir deine Jugend und deine Herrlichkeit schenkst, nicht glauben wirst, einem irdischen Weibe nahe zu sein. Ich bin das Öl, das nach deinem  Salze verlangt, damit die Lampe erlodere im nächtlichen Fest!“ Wer könnte da widerstehen - als junger Mann - sonst umgeben nur von Männern, zu denen es ihn nicht zieht. Ohne das Fest nächtlicher Liebe bei köstlichem Beischlaf. Er windet sich, er zögert, er spielt mit? Er weiß, er hat so oder so verloren. Es wird tragisch enden. Lässt er sich auf die Frau ein, wird er den Posten verlieren und vom mächtigen Ehemann getötet. Lässt er sich nicht auf die Frau ein, wird sie sich rächen für ihre Zurückweisung. Als Objekt der Liebe hat er verloren, weil diese Liebe nicht den Menschen als ganzen im Blick hat, sondern nur das Begehren dieses herrlichen Körpers. Aber vielleicht liebt sie ihn ja wirklich, schaut auf ihn und hört seine Argumente an. So sagt er zu ihr:: „Mein Herr, dein Mann, hat mir alles anvertraut, was in seinem Besitz ist, nur dich nicht – weil du seine Frau bist. Wie soll ich ihn betrügen mit seiner Frau, der mir so Gutes tut und mich gleichzeitig auch noch gegen meinen Gott versündigen, der den Ehebruch verbietet?“ Potifar hat Vertrauen zu ihm. Und es ist eine Sünde gegen den Gott Israel. Aber sie setzt sich über seine Beweggründe hinweg und es beginnt ein vor Spannung knisterndes Schachspiel zwischen den beiden. Wer behält die besseren Nerven? Sie sieht ihm jeden Tag zu, bedrängt ihn, schmachtet ihn an, zeigt sich. Es ist ein Spiel. Aber ein gefährliches – ein Brand gefährliches – auch für Potifars Frau. Aber einmal entzündet, einmal in den Kopf gesetzt, lässt sich diese Liebesglut kaum löschen. Lege dich zu mir. So hört er sie. So verfolgt sie ihn bis in seine Träume. Lege dich zu mir. Mit verführerischer Stimme spricht sie. Täglich. Welche Qual sich ihr zu entziehen? Da macht sie einen letzten Versuch. Dieses Mal muss es klappen. Kein Mensch ist sonst im Haus. Und Josef ist allein mit ihr. Sie denkt: Jetzt oder nie. Er will es doch auch. Sonst käme er nicht allein. Sie hofft, sie bangt und macht sich besonders schön. Lege dich zu mir, sagt sie zu ihm und legt Hand an ihn, an sein Kleid. Jetzt muss es gelingen. Aber er lässt das Kleid in ihrer Hand und flieht. Ihre Liebe oder sagen wir besser ihr Begehren schlägt auf einmal um in Hass. Wie demütigt er mich! Gefühllos ist er. Was denkt er sich eigentlich – mich zurück zu weisen. Welche Schande. Ich will mich rächen. Wenn er mich nicht will, dann soll er eben sterben. Mein Leben ist ohne ihn auch nicht lebenswert. Große Begierde, großes Gefühl, schlägt um in großen Hass. Beides liegt nahe beieinander. Das weiß jeder, der einmal geliebt hat. Verletzte Liebe oder gar damit verbundener verletzter Stolz heizen die Rache an. Wenn er mich betrügt, sieht er seine Kinder nie mehr. Wenn sie mich hintergeht, dann zahle ich keinen Cent an Unterhalt. Ich hasse sie. Ich will ihn nie mehr sehen. Ausmerzen aus meinem Leben. So hat sie die Idee. Sie ruft das Dienstpersonal und zeigt das Kleid des Josef als Beweis, dass er sie vergewaltigen wollte. Dem Kerl ist der Ruhm zu Kopf gestiegen. Das wissen wir doch alle. Und nun hat er wohl gedacht, er könne auch sexuell die Herrin sich gefügig machen. Aber sie weiß, was sich gehört! Was bleibt ihr übrig? Schreien! Aber sie war auch tapfer. Sie entriss ihm ein Stück des Kleides. Der grausame und eindeutige Beweis seiner Schuld. Hochmut kommt vor dem Fall. Er soll büßen. Hier waren wir als Zuschauer und wissen. Die Frau spielt mit dem Vorwurf der Vergewaltigung. Aber ihr Mann fällt darauf herein. Wie so oft? Wie immer, sagen die Vergewaltiger, dieser Welt, die sich mit dieser Geschichte herausreden. Sie wollte ja. Und jetzt schiebt sie es mir in die Schuhe. Wehe wenn es keine Zeugen gibt – wie schwierig ist es dann Recht zu sprechen. Einer wird vernichtet – zu Recht oder zu Unrecht. Hier wissen wir es. Wir waren Zeugen. Potifar glaubt seiner Frau oder wenigstens den Beweisen und schickt Josef ins Gefängnis. Er tötet ihn wenigstens nicht. Davor schreckt er zurück. Oder ahnt er das schreckliche Geheimnis, das sich hinter der Verleumdung durch seine Frau verbirgt. Wir wissen es nicht.


Love is all around.
Von Liebe ist in dieser Geschichte an jeder Ecke zu hören, eher von der sexuellen Liebe, die sonst in der Bibel seltener vorkommt. Begierde und Begehren, Vergewaltigen als Vorwurf, starke Gefühle mal positiv, mal negativ.
Aber von Liebe spricht diese Geschichte Gott sei Dank auch noch in anderer Weise. Von der Liebe Gottes zu Josef. Er lässt ihn nicht im Stich. Dieser Alptraum, der mit dem Wurf der Brüder in den Brunnen begann, sich mit dem Verkauf an die Midianiter fortsetzte und jetzt bei Potifar im Gefängnis zu Ende zu gehen scheint, hört nicht auf. Gott ist zuverlässig. Dies ist Gottes Weg mit Josef hin zum Thron in Ägypten, Gottes Weg mit seinem Volk Israel. Die Menschen meinen es nicht gut mit Josef, aber Gott meint es gut. So endet ja dann auch die ganze Geschichte mit dem Lob der Liebe Gottes durch Josef: Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen.

Gottes Liebe führt einen auch durch Täler des Lebens – das weiß Josef, aber sie hat ein Ziel: es gut zu machen mit den Menschen. Josef kann das im Rückblick sehen und so ist seine Geschichte aufgeschrieben worden als die wunderbare Bewahrung durch Gottes Liebe.

Es dauert allerdings oft bis ans Lebensende, um im Rückblick manches anders sehen zu können, als Weg der Liebe durch Gott. Nicht allen ist zu Lebzeiten vergönnt, das eigene Leben so beschreiben zu können: es ist gut geworden. Wem das gelingt, der kann in Frieden gehen. Wem es nicht gelingt, kann sich ja an ein Wort Oscar Wildes halten, der sagte:
Am Ende ist alles gut
und ist es noch nicht gut,
dann ist es auch nicht das Ende.

Amen

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