Führe uns nicht in Versuchung...
Am 6. August 2014, kaum einen Tag im Gefängnis, nimmt sich ein Rettungsdienstmitarbeiter
in der Zelle in Zürich das Leben. Er wurde beschuldigt Teile der Krankenakte
von Michael Schumacher entwendet zu haben, um sie für viel Geld Medien anzubieten.
1987 wurde in Schleswig-Holstein ein erbitterter Wahlkampf zwischen CDU
und SPD/ Grüne geführt. Ein eigens von Ministerpräsident Barschel angestellter
BILD-Journalist versuchte mit perfiden Methoden und haltlosen Angriffen das
Ansehen der rotgrünen Gegner in der Öffentlichkeit herabzuwürdigen. Der Spiegel deckte einige der Methoden auf.
In einer aufsehenerregenden Pressekonferenz wies Barschel alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück und erklärte: „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind.“
Nachdem in der Folgezeit verstärkt Zweifel an Barschels Unschuld
aufkamen und der Spiegel weitere Veröffentlichungen vornahm, trat Barschel am
2. Oktober 1987 vom Amt des Ministerpräsidenten zurück. Neun Tage später wurde
er im Hotel Beau-Rivage tot in der Badewanne seines
Zimmers aufgefunden. Er starb an einer Medikamentenvergiftung.
Leo Tolstoi lässt seine bekannteste Heldin Anna Karenina am Schluss aus
eigenem Willen sterben – lange hatte sie der Versuchung des Seitensprungs
standgehalten, dann nachgegeben und schließlich alles verloren.
Unzählige Beispiele aus der Literatur und aus dem Leben können angehängt werden.
In der Bibel ist es der berühmte König David, der der Versuchung unterliegt.
Die Geschichte mit der schönen Batseba kennen nicht viele und doch scheint
sie ein Schlüssel für das hohe Ansehen Davids in der Folgezeit zu sein. Sie
steht genau in der Mitte des 2. Samuelbuchs und nimmt zwei ganze Kapitel ein.
Von Batsebas Gefühlswelt erfahren wir nichts. Nicht, ob sie sich ob der
Avancen des Königs geschmeichelt fühlt oder eher gedemütigt, dass sie in ihrer
Ohnmacht dem König Folge leisten muss. Doch David spürt man seine Nervosität im
Verlauf der Erzählung regelrecht an.
Nachdem David von Batseba die Nachricht erhält, dass sie schwanger ist,
beordert er ihren Mann Uria, der in seinem Heer gerade Kriegsdienst leistet,
nach Hause zurück. Uria soll zu seiner Frau heimkehren, sie erwartungsgemäß
begehren und damit hätte das bereits existierende Kind dieser leidenschaftlichen
Begegnung unterstellt werden können.
Doch der schlaue Plan schlägt fehl. Uria
möchte keine grundlose Sonderbehandlung und bleibt bei seinen Kameraden.
Selbst gutes Zureden des Königs am nächsten Tag und die Betörung mit Alkohol
bringen nichts – Uria geht einfach nicht nach Hause.
Da anscheinend bleibt
David keine andere Wahl als den Uria zu beseitigen, um eine mögliche Bloßstellung
durch den gedankenlosen Ehebruch zu vereiteln. Er schreibt seinem Feldherrn
Joab und befiehlt ihm, den Uria beim nächsten Angriff in die erste Reihe zu
stellen, damit er auf jeden Fall umkomme. Und Joab gehorcht – Uria fällt.
Nach
der Trauerzeit holt David Batseba an seinen Hof – es scheint ihm doch mehr an
ihr zu liegen als ein One-Night-Stand.
Der Ehebruch scheint unentdeckt zu bleiben, das Kind in Batseba wächst
und vielleicht entwickeln sich in der jungen begehrenswerten und begehrten
Frau ehrgeizige Pläne.
Doch wem viel gegeben ist, von dem wird viel verlangt. Auch ein König
muss sich an das Gesetz halten, vielmehr er muss Vorbild sein! Gott schreitet
ein und schickt seinen Propheten namens Nathan zu ihm.
Der bringt David durch
einen raffinierten Trick zum Geständnis, zur Einsicht, zur Reue. Nachdem ihm
der Prophet all seine Taten von Ehebruch bis Mord aufgelistet und die Strafe
verkündet hat, spricht David nur einen Satz: „Ich habe gesündigt gegen den
Herrn.“ Diese Einsicht reicht aus, dass David Gnade findet.
Der Herr bleibt ihm
und seiner Dynastie treu, doch ungestraft lässt er ihn nicht: das gemeinsame
Kind mit Batseba soll sterben.
Warum das Kind? Es kann doch nichts dafür. Doch
es ist das Ergebnis eines egoistischen Fehlverhaltens, das einem Menschen
das Leben kostete. Kaum ist das Kind geboren, wird es schwer krank und stirbt
nach wenigen Tagen, obwohl sein Vater Tag und Nacht auf den Knien um sein
Leben fleht. Wer schon einmal ein Kind verloren hat, weiß wie hoch diese
Strafe für das Paar war.
Diese schwerwiegenden Ereignisse um den Ehebruch herum bewirken
erdrutschartige Veränderungen: die Thronfolge-Regelung wird umgestürzt und das
zweite gemeinsame Kind mit Batseba wird zum Nachfolger Davids bestimmt: es
wird einst der ebenfalls berühmte König Salomo.
Aus einem scheinbar harmlosen
Seitensprung ergeben sich die wildesten Verwicklungen
und Ereignisse. Sie machen zwei Menschen zu gebrochenen und doch neu
erstarkten Persönlichkeiten.
Das Schema scheint einfach und im persönlichen Bereich fast nicht mehr
zeitgemäß zu sein: Fehlverhalten, die Bibel spricht von Sünde, - Bestrafung
bzw. Wiedergutmachung – Rehabilitation. Wer seine Schuld absitzt oder auf sich
nimmt, darf wieder Teil der Gemeinschaft sein.
Doch kann man je wieder Teil der Gemeinschaft sein, wenn das eigene
Vergehen durch die Presse gegangen ist, wenn man mit seiner Schande für immer
im Internet steht, wenn man sich selbst nicht mehr ins Gesicht sehen kann?
Selbst wenn man die Strafe auf sich nimmt, die Jahre im Gefängnis absitzt und
eine Geldbuße bezahlt – der Ruf ist ruiniert und für manche bleibt nur ein
Ausweg: die Auslöschung der eigenen Person.
Davids Haltung im Moment der Aufdeckung seiner Vergehen ist ganz
anders. Und vermutlich wurde er deshalb zum berühmtesten König Israels, denn
er bewies tatsächlich großen Glauben. Großes Vertrauen in seinen Gott, der
ihn schon als kleinen Jungen zu Großem bestimmt hatte, denn er kannte sein
Herz.
David lässt sich nicht von der Scham überwältigen, die er vor Gott und
vor Nathan empfunden haben mag, als dieser seinen Finger gegen ihn ausstreckt
und ihn damit beschuldigt. Nein, er wirft sich quasi in Gottes Arme, hält an
ihm fest, vertraut ohne Berechnung auf diese erprobte Beziehung, wohlwissend,
dass er keine Gnade verdient hat.
„Mein Herr und mein Gott“, sagt Thomas, der Zweifler, als er erkennt,
dass er Jesus und seine Möglichkeiten unterschätzt hat. Die Beziehung und die
Liebe sind stärker als alle anderen sich aufdrängenden negativen Gefühle. Wir Glaubenden suchen nicht das nächste Mauseloch, in dem wir uns verkriechen können, sondern treten
den Weg nach vorne an – in Gottes bzw. Jesu Arme. Weil wir wissen, dass
jegliche Schuld vergeben werden kann und dass nur die Wahrheit und die Buße
neues Leben eröffnet.
Uli Hoeneß hat diesen Weg gewählt. Er bekannte seine Schuld in der
Öffentlichkeit, zeigte Reue und sitzt nun die Strafe ab. Danach scheint ihm
der Weg in die Gesellschaft wieder offen zu stehen.
Die
Versuchungen des Lebens, sie sind immerzu da und locken uns. Seien es Ansehen,
Macht, Geld oder Eitelkeit.
Es ist nicht Gott, der uns in Versuchung führt –
doch mit seiner Hilfe können wir ihnen widerstehen. Und wenn sie uns dennoch
übermannt haben – so wie David, können wir durch Gottes Barmherzigkeit auch
selbst mit uns und unseren Mitmenschen barmherzig sein und mit unseren als
auch mit deren Fehlern leben.
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