Montag, 18. August 2014

Sylvia Unzeitig: Mit Fehlern leben lernen - David und Bathseba (2.Samuel 11f)

Führe uns nicht in Versuchung...

Am 6. August 2014, kaum einen Tag im Ge­fäng­nis, nimmt sich ein Ret­tungsdienst­mit­arbeiter in der Zelle in Zürich das Le­ben. Er wur­­de beschuldigt Teile der Kran­ken­­akte von Mi­cha­el Schumacher ent­wen­det zu haben, um sie für viel Geld Me­dien anzu­bie­ten.


1987 wurde in Schleswig-Holstein ein erbit­terter Wahlkampf zwischen CDU und SPD/ Grüne geführt. Ein eigens von Minister­prä­sident Barschel ange­stellter BILD-Journalist versuchte mit perfiden Methoden und halt­losen An­griffen das Ansehen der rotgrünen Gegner in der Öffentlichkeit herab­zu­würdi­gen. Der Spiegel deckte einige der Metho­den auf. In einer auf­se­hen­erregenden Pressekonferenz wies Barschel alle gegen ihn erho­benen Vorwürfe zurück und erklärte: „Ich gebe Ihnen mein Ehren­wort, dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind.“ Nachdem in der Folgezeit verstärkt Zweifel an Barschels Unschuld aufkamen und der Spiegel weitere Veröffentlichungen vor­nahm, trat Barschel am 2. Oktober 1987 vom Amt des Ministerpräsidenten zurück. Neun Tage später wurde er im Hotel Beau-Rivage tot in der Badewanne seines Zimmers aufgefunden. Er starb an einer Medikamentenvergiftung.

Leo Tolstoi lässt seine bekannteste Heldin Anna Kareni­na am Schluss aus eigenem Willen sterben – lange hatte sie der Versu­chung des Seitensprungs standgehalten, dann nachgege­ben und schließlich alles verloren.

Unzählige Beispiele aus der Literatur und aus dem Leben können ange­hängt werden.

In der Bibel ist es der berühmte König David, der der Versuchung unter­liegt. Die Ge­schich­te mit der schönen Batseba kennen nicht viele und doch scheint sie ein Schlüs­sel für das hohe Ansehen Davids in der Fol­ge­zeit zu sein. Sie steht genau in der Mitte des 2. Samuelbuchs und nimmt zwei ganze Kapitel ein.

Von Batsebas Gefühlswelt erfahren wir nichts. Nicht, ob sie sich ob der Avancen des Königs geschmeichelt fühlt oder eher gedemütigt, dass sie in ihrer Ohnmacht dem König Folge leisten muss. Doch David spürt man seine Nervosität im Verlauf der Erzäh­lung regelrecht an.
Nachdem David von Batseba die Nachricht erhält, dass sie schwanger ist, beordert er ihren Mann Uria, der in seinem Heer gerade Kriegsdienst leistet, nach Hause zurück. Uria soll zu seiner Frau heimkehren, sie er­wartungsgemäß begehren und damit hätte das bereits existierende Kind dieser leiden­schaftlichen Begegnung unter­stellt werden können.
Doch der schlaue Plan schlägt fehl. Uria möchte keine grundlose Sonderbe­hand­lung und bleibt bei seinen Kameraden. Selbst gutes Zureden des Kö­nigs am nächs­ten Tag und die Betörung mit Alkohol brin­gen nichts – Uria geht ein­fach nicht nach Hause.
Da anscheinend bleibt David keine andere Wahl als den Uria zu beseitigen, um eine mögliche Bloßstel­lung durch den ge­dan­kenlosen Ehebruch zu vereiteln. Er schreibt seinem Feldherrn Joab und befiehlt ihm, den Uria beim nächsten Angriff in die erste Reihe zu stellen, damit er auf jeden Fall umkomme. Und Joab gehorcht – Uria fällt.

Nach der Trauerzeit holt David Batseba an seinen Hof – es scheint ihm doch mehr an ihr zu liegen als ein One-Night-Stand. Der Ehebruch scheint unentdeckt zu blei­ben, das Kind in Batseba wächst und viel­leicht entwickeln sich in der jungen begeh­renswerten und begehr­ten Frau ehrgeizige Pläne.

Doch wem viel gegeben ist, von dem wird viel verlangt. Auch ein König muss sich an das Gesetz halten, vielmehr er muss Vorbild sein! Gott schreitet ein und schickt seinen Propheten namens Nathan zu ihm.
Der bringt David durch einen raffinierten Trick zum Geständnis, zur Einsicht, zur Reue. Nachdem ihm der Prophet all seine Taten von Ehebruch bis Mord aufgelistet und die Strafe verkündet hat, spricht David nur einen Satz: „Ich habe gesündigt gegen den Herrn.“ Diese Einsicht reicht aus, dass David Gnade findet.
Der Herr bleibt ihm und seiner Dyna­stie treu, doch ungestraft lässt er ihn nicht: das gemeinsame Kind mit Batseba soll ster­ben.
Warum das Kind? Es kann doch nichts dafür. Doch es ist das Ergebnis eines egois­tischen Fehlverhaltens, das ei­nem Men­schen das Leben kostete. Kaum ist das Kind geboren, wird es schwer krank und stirbt nach wenigen Tagen, obwohl sein Va­ter Tag und Nacht auf den Knien um sein Leben fleht. Wer schon einmal ein Kind ver­loren hat, weiß wie hoch diese Strafe für das Paar war. Diese schwerwiegenden Ereignisse um den Ehebruch herum bewirken erdrutschartige Veränderungen: die Thronfolge-Regelung wird umge­stürzt und das zweite gemein­sa­me Kind mit Batseba wird zum Nachfol­ger Davids bestimmt: es wird einst der ebenfalls berühmte König Salo­mo.

Aus einem schein­bar harmlosen Seitensprung ergeben sich die wil­desten Verwicklungen und Ereignisse. Sie machen zwei Menschen zu gebroche­nen und doch neu erstarkten Persönlichkei­ten. Das Schema scheint einfach und im persön­lichen Bereich fast nicht mehr zeitgemäß zu sein: Fehlverhalten, die Bibel spricht von Sün­de, - Bestrafung bzw. Wiedergutma­chung – Rehabilitation. Wer seine Schuld absitzt oder auf sich nimmt, darf wieder Teil der Gemeinschaft sein. Doch kann man je wieder Teil der Gemein­schaft sein, wenn das eigene Vergehen durch die Presse gegangen ist, wenn man mit seiner Schande für immer im Internet steht, wenn man sich selbst nicht mehr ins Gesicht sehen kann? Selbst wenn man die Strafe auf sich nimmt, die Jahre im Gefäng­nis absitzt und eine Geldbuße be­zahlt – der Ruf ist ruiniert und für manche bleibt nur ein Ausweg: die Auslö­schung der eigenen Per­son.

Davids Haltung im Moment der Auf­deckung seiner Vergehen ist ganz anders. Und ver­mutlich wurde er deshalb zum berühm­testen König Israels, denn er bewies tatsächlich gro­ßen Glauben. Großes Vertrauen in sei­nen Gott, der ihn schon als kleinen Jungen zu Großem bestimmt hatte, denn er kannte sein Herz.
 David lässt sich nicht von der Scham über­wältigen, die er vor Gott und vor Nathan empfunden haben mag, als dieser seinen Finger gegen ihn ausstreckt und ihn damit beschuldigt. Nein, er wirft sich quasi in Got­tes Arme, hält an ihm fest, ver­traut ohne Be­rechnung auf diese erprobte Beziehung, wohl­wis­send, dass er keine Gnade verdient hat.

„Mein Herr und mein Gott“, sagt Thomas, der Zweifler, als er erkennt, dass er Jesus und seine Möglichkeiten unterschätzt hat. Die Beziehung und die Liebe sind stärker als alle anderen sich aufdrängenden negativen Gefühle. Wir Glaubenden suchen nicht das nächste Mauseloch, in dem wir uns  ver­krie­chen kön­nen, sondern treten den Weg nach vorne an – in Gottes bzw. Jesu Arme. Weil wir wis­sen, dass jegliche Schuld vergeben werden kann und dass nur die Wahrheit und die Buße neues Le­ben eröffnet.

Uli Hoeneß hat diesen Weg gewählt. Er be­kannte seine Schuld in der Öffentlichkeit, zeigte Reue und sitzt nun die Strafe ab. Da­nach scheint ihm der Weg in die Gesell­schaft wieder offen zu stehen.

Die Versuchungen des Lebens, sie sind im­mer­zu da und locken uns. Seien es Anse­hen, Macht, Geld oder Eitelkeit.
 Es ist nicht Gott, der uns in Versuchung führt – doch mit sei­ner Hilfe können wir ihnen wider­stehen. Und wenn sie uns dennoch übermannt ha­ben – so wie David, können wir durch Gottes Barmherzig­keit auch selbst mit uns und un­se­ren Mitmenschen barmherzig sein und mit unseren als auch mit deren Fehlern leben.

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